Besucher der amerikanischen Hauptstadt Washington, die mühsam den Hügel bis zum Arlington House hinaufkraxeln, werden mit einem atemraubenden Ausblick belohnt. Wie in einem Freiluftmuseum lässt sich von hier aus der Aufstieg der USA zur Weltmacht besichtigen.
Fast jedes Gebäude, jedes Denkmal steht für eine Episode in dieser Geschichte. Zu sehen sind von hier oben das Weiße Haus, der Sitz des Präsidenten, daneben die National Mall mit den Denkmälern für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, des Vietnam- und des Koreakriegs. Und schließlich, direkt am Fluss Potomac, liegt das Pentagon, Amerikas militärische Schaltzentrale, mit dem hoch in den Himmel ragenden Denkmal für den Terrorangriff auf das Gebäude am 11. September 2001.
Kaum zu glauben, aber es ist erst etwas mehr als 200 Jahre her, da war diese Gegend nichts weiter als Wald- und Sumpfgebiet. Ein entlegener Ort in einem entlegenen Land, das auf der politischen Weltkarte praktisch keine Bedeutung hatte.
Aus dem Land der Farmer und Händler ist die beherrschende Macht der Erde erwachsen, politisch, militärisch, wirtschaftlich, kulturell. Die Vereinigten Staaten sind die reichste Nation, die dieser Planet je hervorgebracht hat. Amerika verfügt über die modernste und schlagkräftigste Militärstreitmacht der Erde, die US-Marine patrouilliert mit ihren Flugzeugträgern und Atom-U-Booten auf den sieben Weltmeeren.
Wie konnte dieser spektakuläre Aufstieg gelingen?
Erfüllt von demokratischem Sendungsbewusstsein haben die USA seit dem Zweiten Weltkrieg gleichsam als Weltpolizist unzähligen Menschen zu einem besseren Leben verholfen, sie haben Nationen wie Deutschland beschützt und mit viel Geld aufgepäppelt. Zugleich hat dieses Amerika aber auch oft rücksichtslos seine politischen und wirtschaftlichen Interessen durchgesetzt, mit teils katastrophalen Folgen, die vielerorts bis heute nachwirken - zum Beispiel im irakisch-syrischen Krisengebiet.
Amerikas Aufstieg zur Weltmacht folgte nicht immer einem bestimmten Plan. Manches war strategisch durchdacht, vieles ergab sich aber durch Zufälle. Bis heute hängen wichtige Entscheidungen, zum Beispiel über Militäreinsätze, vor allem von der jeweiligen politischen Stimmung in der Heimat ab. Amerikas Wähler zeigten sich über die Jahrzehnte launisch: Mal akzeptierten sie die Weltmachtrolle, mal forderten sie einen Krieg sogar regelrecht ein, so wie nach den Terrorangriffen am 11. September den Kampf gegen Osama Bin Laden und al-Qaida in Afghanistan. Nach Rückschlägen wie in Vietnam sahen sie die Rolle der Führungsmacht aber auch äußerst skeptisch. Momentan sind sie wieder eher skeptisch.
"Das erste große amerikanische Jahrhundert"
Der Mann, der wie kaum ein Zweiter den Weg der Nation nach dem Zweiten Weltkrieg prägen sollte, kam durch eine Laune der Geschichte an die Macht. Weil der beliebte Präsident Franklin D. Roosevelt kurz vor dem Ende des Krieges im April 1945 starb, wurde über Nacht Vizepräsident Harry S. Truman sein Nachfolger. Er wurde 1934 in den Senat gewählt, zuvor war er recht erfolglos Teilhaber eines Herrenausstatters gewesen.
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US-Präsident Truman 1945: Er kam durch eine Laune der Geschichte an die Macht und fand schnell Gefallen daran.
"Was kann ich für Sie tun", fragte Truman Roosevelts Witwe Eleanor am Sterbebett. Sie antwortete: "Was können wir für Sie tun, Herr Präsident. Sie sind jetzt derjenige, der in Schwierigkeiten steckt."
Die USA waren aufgrund ihres Reservoirs an Menschen und Ressourcen zur Führungsnation des Bündnisses gegen Nazideutschland und gegen das japanische Kaiserreich aufgestiegen. Die früheren Weltmächte Frankreich und Großbritannien lagen nach dem langen Krieg geschwächt am Boden. Truman regierte ein Land, das als einziges über eine vor Kraft strotzende Wirtschaft, eine gigantische Flotte und ein intaktes Militär verfügte. Hinzu kam, dass der Präsident dank dem "Manhattan Project" nunmehr die tödlichste Waffe der Welt in seinem Arsenal hatte: die Atombombe.
Was sollte Amerika mit dieser Macht nur anfangen? Truman und die Elite an der Wall Street und in Washington fanden Gefallen an der neuen Stärke. Beherzt ergriffen sie die Chance, die sich ihnen plötzlich bot: Die Vereinigten Staaten sollten Weltführungsmacht werden.
Während nach dem Ersten Weltkrieg in Amerika noch das Gefühl vorherrschte, das Land sei besser dran, wenn es sich vor allem auf sich selbst konzentriere, erkannten Truman und seine Strategen, welche Möglichkeiten jenseits der eigenen Grenzen lagen. Die amerikanische Industrie suchte profitable Exportmärkte und billige Rohstoffe. Amerikas hochgerüsteter militärisch-industrieller Komplex wünschte sich weltweite Operationsbasen, und viele Politiker waren von der Mission beseelt, ihre demokratischen Ideale zu exportieren.
Der Gründer des populären Magazins "Life", Henry Luce, hatte diesem Gefühl schon 1941 den Weg gebahnt, als er verlangte, das 20. Jahrhundert müsse das "erste große amerikanische Jahrhundert" werden.
Die US-Regierung lernte jetzt ihre Lektion aus den verheerenden Folgen des Ersten Weltkriegs: Nie wieder sollten in Deutschland und ganz Europa wirtschaftliches Elend und politische Instabilität den Aufstieg von Diktatoren wie Adolf Hitler befördern, nie wieder sollten aggressiv-expansive Mächte, wie Japan im Pazifik, den Frieden und die Prosperität der USA in Gefahr bringen.
Truman und sein Außenminister George Marshall setzten auf eine Politik der Bündnisse, des Wiederaufbaus und des Freihandels. Sie schufen die Vereinten Nationen als übergeordnete Ordnungsinstanz für weltweite Konflikte und Probleme. Eine verlockende Mischung aus Freiheit, Demokratie und Geld sollte andere Staaten davon überzeugen, sich dem amerikanischen Einflussgebiet anzuschließen.
Mit den Milliarden-Dollar-Hilfen aus dem Marshallplan sorgten sie dafür, dass die Volkswirtschaften Italiens, Frankreichs, Großbritanniens und vor allem Westdeutschlands einen rasanten Wiederaufstieg erlebten und so nicht nur Waren nach Amerika exportieren konnten, sondern auch zum wichtigsten Abnehmer amerikanischer Produkte wurden.
Im altehrwürdigen Mount Washington Hotel in Bretton Woods, New Hampshire, hatten die USA bereits 1944 die Grundlage für ein weltweites Freihandelssystem gelegt. Die Amerikaner boten den mit ihnen verbündeten Staaten einen bestechenden Deal an: Sie würden mit ihrer Flotte die Sicherheit der Handelswege garantieren, gleichzeitig sollten dank möglichst fester Wechselkurse und durch den Abbau von Zollschranken alle Staaten innerhalb des Bretton-Woods-Systems problemlos miteinander Handel treiben können. Als Hüter des Systems wurde unter anderem der Internationale Währungsfonds gegründet. Rasch nahmen viele Staaten den verlockenden Deal an. Der Westen boomte - und Amerika wurde reicher als je zuvor.
Einzig eine Macht stand dem amerikanischen Imperium im Wege, die Sowjetunion. Der Konflikt sollte die Weltpolitik für die nächsten fünf Jahrzehnte prägen und dem US-Expansionismus Grenzen setzen - mit blutigen Folgen.
Kalter Krieg und heißer Krieg
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US-Soldaten bei einer Spezialoperation 2010 in Afghanistan
Amerikas Rolle als Weltmacht ist ohne die aggressive Ideologie der Sowjetunion nicht zu erklären. Wie Harry S. Truman und fast alle US-Präsidenten nach ihm fühlten sich auch Josef Stalin und die Kremlherrscher, die ihm folgten, dazu auserwählt, möglichst große Teile des Planeten unter ihren Einfluss zu bringen. Hinzu kam ein weltanschaulicher Wettstreit: So wie die Amerikaner ihre demokratische Verfassung und ihr kapitalistisches System als Vorbild für andere Staaten sahen, meinten die Machthaber in Moskau, den Kommunismus nach sowjetischem Modell als allein selig machende Gesellschaftsform exportieren zu müssen.
Auf den sowjetischen Expansionsdrang in Osteuropa antwortete Washington mit einer Politik des "Containment", der Eindämmung. Die USA unterstützten Staaten an der Peripherie des Sowjetreichs wie Griechenland oder die Türkei mit Geld und Militärausrüstung. Und um die eigene Einflusssphäre gegen die Sowjetunion im Notfall auch militärisch verteidigen zu können, gründeten sie 1949 die Nato als Verteidigungsbündnis.
Nachdem die Sowjetunion - auch durch einen Verrat des amerikanisch-deutschen Atomforschers Klaus Fuchs - an Pläne für den Bau der Atombombe gelangt war, setzte ein Wettrüsten ein, das es beiden Seiten ermöglichen sollte, sich gegenseitig mehrfach auszulöschen. Diese scheinbar paradoxe Situation führte dazu, dass sowohl Moskau als auch Washington einen echten Krieg vermieden und stattdessen auf einen "Kalten Krieg" setzten.
Ein Heer von 20.000 Agenten des Geheimdienstes CIA half entscheidend dabei mit, die US-Einflusszone mit allen Mitteln zu verteidigen. Amerika finanzierte zwielichtige Diktatoren und Militärmachthaber, Hauptsache sie versprachen, das Erstarken kommunistischer Regime zu verhindern. Über Jahrzehnte führte Amerika blutige Stellvertreterkriege gegen die Sowjetunion in der sogenannten Dritten Welt, die Supermächte rangen in Kuba, Ägypten, El Salvador, Nicaragua oder Angola um Einfluss. Hunderttausende Menschen fielen diesen Auseinandersetzungen zum Opfer.
Amerika und Asien
Zum ersten echten Test der amerikanischen "Containment"-Politik wurde der Koreakrieg. Fast 37.000 GIs ließen auf der koreanischen Halbinsel ihr Leben, um eine Invasion des kommunistischen Nordens im Süden abzuwehren. Der Versuch der USA, den Norden zu "befreien", misslang. Der Krieg endete mit einem Patt an derselben Demarkationslinie, an der er begonnen hatte; bis heute ist sie eine Staats- und Systemgrenze.
Zum nächsten Testfall wurde Vietnam. Das südostasiatische Land, bis dato eine französische Kolonie, rechneten die USA zu ihrer Einflusszone. Nachdem die Franzosen nach der blutigen Niederlage in Dien Bien Phu 1954 gezwungen waren, die Kontrolle über das Land abzugeben, wurde es auf der Genfer Indochinakonferenz in einen kommunistischen Norden und einen westlich orientierten Süden geteilt.
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US-Marines fesseln einen gefangenen Vietcong
Wie so oft im Kalten Krieg machte Washington einen entscheidenden Fehler: Statt mit echten Demokraten verbündeten sich die USA im Süden mit einem quasi-diktatorischen Regime - und verschafften so ihren Gegnern Zulauf. Das harte Vorgehen Saigons gegen jede Art der Opposition befeuerte die Widerstandsbewegung der "Vietcong", die vom kommunistischen Norden unterstützt wurden.
Um den Vormarsch der Kommunisten zu stoppen, schickte Washington mehr und mehr auch eigene Soldaten nach Vietnam. Sowohl Präsident John F. Kennedy als auch sein Nachfolger Lyndon B. Johnson unterschätzten die Kampfkraft und Motivation ihrer vietnamesischen Gegner und bescherten den USA so einen Krieg, den das Land nicht gewinnen konnte. Zwischen 1964 und 1973 warfen die USA mehr als sieben Millionen Tonnen Bomben auf Vietnam, Laos und Kambodscha ab, mindestens zweimal mehr als im gesamten Zweiten Weltkrieg. Als es 1973 nach dem Vertrag von Paris zu einem Ende des US-Engagements kam, waren 58.000 Amerikaner und schätzungsweise vier Millionen Vietnamesen tot.
Die letzten Amerikaner mussten zwei Jahre später mit dem Hubschrauber vom Dach der US-Botschaft in Saigon vor den vorrückenden Nordvietnamesen fliehen, die Weltmacht war tief gedemütigt. Das Versagen und die Grausamkeit der amerikanischen Militärmacht unterhöhlte nicht nur das Selbstvertrauen der gesamten Nation, sondern hatte erstmals auch weltweit den antiamerikanischen Protest befeuert.
Amerika und der Nahe Osten
Der Nahe Osten zählt seit dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Einflusszonen der USA. Washington unterstützte Israel schon früh mit Waffen und Geld, weil es einen zuverlässigen Verbündeten in der Region gegen die Sowjetunion suchte. Aber Amerika fühlte auch eine moralische Verpflichtung: Nach dem Schrecken des Holocaust sollten die Juden endlich friedlich in einem eigenen Staat leben dürfen.
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Khomeini-Plakat auf einer Anti-Schah-Demonstration in Teheran: Der Revolutionsführer erklärte die USA zum Hauptfeind.
Zugleich sicherte die Weltmacht ihren Ölbedarf durch Bündnisse mit Ölstaaten wie Saudi-Arabien. Auch Iran war im Kalten Krieg viele Jahre ein Eckpfeiler des amerikanischen Herrschaftssystems. Um die eigenen Interessen in dem Ölstaat durchzusetzen, ging die Weltmacht skrupellos vor. Bereits in den Fünfzigerjahren hatte die CIA entscheidend dabei mitgeholfen, Premierminister Mohammad Mossadegh aus dem Amt zu putschen. Washington fürchtete, er könnte mit Moskau anbandeln, zudem hatte er die Ölfelder verstaatlicht, die bis dahin unter Kontrolle britischer Firmen standen. Anstelle Mossadeghs installierten die USA Schah Mohammad Reza, sicherten sich 40 Prozent der Ölvorkommen des Landes und unterstützten den Schah, einen strammen Antikommunisten, mit Waffendeals.
Durch kurzsichtige Machtpolitik wurden die Amerikaner so wieder einmal selbst zu Verursachern eines Problems, mit dessen Folgen sie noch lange zu kämpfen haben würden: Das brutale Vorgehen des Schah-Regimes gegen jede Art von Opposition ließ in den späten Siebzigerjahren eine massive linke sowie islamistisch geprägte Protestbewegung erstarken, die den Schah aus dem Land vertrieb.
Präsident Jimmy Carter hoffte zunächst, auch mit der neuen Führung ein Bündnis schmieden zu können, doch deren Anführer, Ruhollah Khomeini, kappte alle Verbindungen zu den USA und erklärte Washington zum Hauptfeind. Iranische Protestler besetzten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 444 Tage lang mehr als 50 Amerikaner als Geiseln. Carter startete eine Rettungsaktion mit Spezialkräften, doch das Unternehmen endete in einem Desaster. US-Truppen stürzten in einem Sandsturm in der Wüste ab, acht Soldaten starben.
Ronald Reagan und das Ende des Kalten Krieges
Das Vietnam-Trauma und die Katastrophe von Teheran ließen bei vielen US-Amerikanern die Sehnsucht nach einer starken Führung wachsen. Der neue Präsident Ronald Reagan, gelernter Hollywoodschauspieler und stramm konservativer Gouverneur von Kalifornien, erfüllte diese Sehnsucht, indem er vor allem gegenüber der Sowjetunion Härte demonstrierte. Reagan erklärte die UdSSR zum "Reich des Bösen", kämpfte mit der CIA gegen kommunistische Bewegungen in Mittelamerika und investierte Milliarden in eine massive Aufrüstung des amerikanischen Waffenarsenals.
Der US-Rüstungshaushalt stieg bis 1987 auf 456 Milliarden Dollar, verglichen mit 325 Milliarden 1980. Amerika verfügte 1985, zu Beginn von Reagans zweiter Amtszeit, über mehr als 23.000 Atomsprengköpfe. Außerdem plante Reagan ein Raketenabwehrsystem im Weltall (SDI) - Moskau investierte seinerseits vor allem in die Stationierung von Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 in Osteuropa. In den Achtzigerjahren erreichte das Wettrüsten der Supermächte ein Ausmaß, das vor allem die Menschen in Europa zu massiven Protesten auf die Straße trieb.
Gerade in Deutschland hatte das Bild vieler Bürger von der Weltmacht USA Schaden genommen. Sie sahen die Amerikaner weniger als Freunde und Förderer, sondern blickten auf den Vietnamkrieg, auf das aggressive Machtstreben und die scharfe antisowjetische Rhetorik Reagans. Im SPIEGEL wurde Reagan wahlweise als schießwütiger Cowboy oder als Bösewicht à la "Darth Vader" aus "Krieg der Sterne" dargestellt.
Und doch sollte der größte Erfolg der US-Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerechnet in Reagans Amtszeit fallen: Michail Gorbatschow, der Reformer im Kreml, eröffnete durch seine Politik von Glasnost ("Offenheit") und Perestroika ("Umbau") die Chance zu einem Ende des Wettrüstens und einer Entspannung zwischen den beiden Supermächten - und es ist Reagans großes Verdienst, dass er die Chance erkannte und Gorbatschows Hand zur Versöhnung ergriff. Die beiden Anführer entwickelten nicht nur ein gutes persönliches Verhältnis, sondern leiteten etwa mit dem Abrüstungsvertrag über die atomaren Mittelstreckenraketen wichtige Schritte zur Beendigung des Kalten Krieges ein.
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Michelle und Barack Obama beim Festakt zum der zweiten Amtszeit als US-Präsident 2013
rbatschow entließ die sowjetischen Teilrepubliken und die Satellitenstaaten in Osteuropa in die Unabhängigkeit, der Fall der Berliner Mauer markierte den offiziellen Endpunkt des Kalten Krieges in Europa. Der US-Politologe Francis Fukuyama rief gar das "Ende der Geschichte" aus, da nunmehr klar sei, dass sich die Demokratie als das überlegene System weltweit durchsetzen werde. Amerika hatte den Kalten Krieg gewonnen - und doch sollten bald neue Probleme auftauchen.
Die erschöpfte Weltmacht
Der Sieg im Kalten Krieg hat die Rolle der USA als Weltmacht verkompliziert. Die astronomischen Kosten des Wettrüstens haben auch in den USA einen Schuldenberg hinterlassen, der bis heute nicht ansatzweise abgetragen ist. Um Amerikas Wohlstand zu sichern, haben alle Präsidenten seit George H. W. Bush und Bill Clinton versucht, mit Handelsabkommen wie Nafta oder der Erweiterung von Gatt Zollschranken weitestgehend einzureißen und Amerikas Exportwirtschaft durch Freihandel zu stärken.
Heute fragen sich nicht nur viele Amerikaner, ob diese Globalisierungsstrategie richtig war: Der Freihandel wird für die Abwanderung oder Vernichtung Hunderttausender Jobs in den USA mitverantwortlich gemacht. Ganze Branchen wie die Automobilindustrie oder die Stahlwirtschaft stehen in den USA seit Jahren unter Druck. Im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf haben fast alle Politiker von Donald Trump über Bernie Sanders bis hin zu Hillary Clinton neue Freihandelsabkommen wie die Trans Pacific Partnership (TPP) in der geplanten Form infrage gestellt.
Der Klimawandel, der internationale Terrorismus, der ungelöste Nahostkonflikt, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, neue regionale Kriege, der Aufstieg Chinas und der Kampf um Rohstoffe bestimmen seit dem Ende des Kalten Krieges die außenpolitische Agenda.
Alle Präsidenten seit Reagan mussten erkennen, dass die USA zwar weiterhin einen Führungsanspruch in der Welt erheben können, dass die letzte Weltmacht aber weit davon entfernt ist, diese Probleme allein lösen zu können. Vielmehr wird die Zusammenarbeit mit Partnern wie Europa, aber auch mit neuen Konkurrenten wie China immer wichtiger.
Der Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 hat die Lage für die USA zusätzlich erschwert. Amerika sieht sich seit diesem Tag praktisch in einem Dauerkrieg mit einem neuen Feind, der weitaus schwerer zu greifen ist als die sowjetische Supermacht oder iranische Ajatollahs. Die USA mussten in ihrem Kampf gegen den internationalen Terrorismus erkennen, dass sich mit islamistischen Fundamentalisten nicht verhandeln lässt. Und dass ein Feind, der selbst vor massiven Anschlägen auf friedliche Zivilisten nicht zurückschreckt, auch nicht zu besiegen ist, indem man selbst damit beginnt, die eigenen Gesetze zu brechen.
AP/ U.S. Navy/ Shane T.McCoy
Gefangene im US-Lager Guantanamo 2002
Die Misshandlungen irakischer Gefangener in Abu Ghuraib, das Waterboarding von Terroristen durch die CIA und die unrechtmäßige Internierung von ausländischen Kämpfern im Lager Guantanamo auf Kuba durch die Regierung von George W. Bush haben Amerika nicht stärker gemacht, sondern sorgten nur dafür, dass seine Gegner neuen Zulauf erhielten.
Die Zahl der Einsätze amerikanischer Soldaten weltweit schwankt seit dem Ende des Kalten Krieges, doch Washington ist fast immer an mehreren Punkten gleichzeitig militärisch engagiert. Zweimal marschierten US-Soldaten seit 1990 gegen Saddam Hussein im Irak auf, sie bekämpften serbische Nationalisten im Kosovo und in Bosnien und schließlich die Taliban in Afghanistan.
Amerika, so viel steht fest, bleibt weiter einsatzbereit. Wenn es den eigenen Interessen oder der eigenen Sicherheit dient, werden auch militärische Mittel eingesetzt. Doch die Bereitschaft, solche weltweiten Einsätze zu finanzieren und mitzutragen, hat sowohl im Kongress als auch in der Bevölkerung abgenommen. Präsident Barack Obama hat sowohl aus dem Irak als auch aus Afghanistan große Militärkontingente abgezogen.
Aber selbst der Friedensnobelpreisträger Obama führt weiter Krieg, wenn auch in abgeschwächter Form. Viele Terroristen hat der scheidende Präsident durch Drohnen ausgeschaltet, Tausende unschuldige Zivilisten wurden dabei getötet. Obama nennt das eine "smarte Strategie". In Syrien und im Irak sind amerikanische Spezialkräfte im Einsatz, um Dschihadisten zu bekämpfen. Vor dem Einsatz eines größeren Soldatenkontingents schreckte Obama jedoch zurück, weil er den Unwillen der Bevölkerung spürte, noch mehr ihrer "Boys" für ferne Länder sterben zu lassen.
Ganz ohne Amerika geht es aber eben auch nicht: Wäre es zum Aufstieg des "Islamischen Staates" in Syrien gekommen, wenn sich die USA früher und härter als Ordnungsmacht engagiert hätten? Wer, wenn nicht Amerika soll die Führung übernehmen, wenn es darum geht, Autokraten, Terroristen und andere Menschenfeinde weltweit zu bekämpfen?
Am Arlington House hoch über Washington weht Tag und Nacht stolz die amerikanische Flagge, 50 Sterne, 13 weiß-rote Streifen, für manche ist sie ein Symbol der Unterdrückung, für andere steht sie für Freiheit, Demokratie, Fortschritt. Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende.