Studium in den USA
"Ihr deutschen Studenten seid die besten"
Kalifornien, das Land der Lässigkeit: Dennis Draber, 22, studiert hier, atmet Marihuana-Luft ein, lässt sich vom Facebook-Mitbegründer Chris Hughes die Zukunft des Journalismus erklären und gründet sein eigenes Business: eine Staubsaugervermietung.
An meiner neuen Universität in San Francisco ist das Verhältnis zwischen Professor und Student anders, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. "Ihr deutschen Studenten seid die Besten! Bitte besucht meinen Kurs", spricht mich ein Professor gleich am ersten Tag auf dem Campus an, als er ein Gespräch zwischen mir und einer deutschen Kommilitonin aufschnappt. Herzlicher hätte die Begrüßung an der State University East Bay nicht sein können.
Während in Deutschland die meisten Dozenten eine professionelle Distanz wahren, verhalten sich viele amerikanische Professoren hier, als könnte man jederzeit mit ihnen ein Bier trinken. Weniger autoritär, viel kumpelhafter. Einen Professor haben wir auf einem Konzert von Guns N' Roses wiedergetroffen.
Auch mein erster Kurs in "Establishing And Managing A Small Business" startet mit einer Überraschung: "Ich hasse Klausuren", beginnt Brian McKenzie seine Vorlesung. "Ich habe da mal einige andere Prüfungsformen entwickelt." Er teilt einen Zettel mit mehreren Optionen zum Ankreuzen aus. "Und lasst diese formale Anrede weg. Ich bin Brian."
Während wir uns verwundert seine Vorschläge durchlesen ("Mit 50 Dollar Startkapital eine Businessidee real umsetzen"), beginnt Brian aus seinem Leben zu erzählen. "Vor sieben Jahren, als ich schwerkrank war, habe ich zurückgeblickt. Und ich habe gemerkt: Alles, was ich wollte, habe ich gemacht", erzählt er. "Ich habe Boote gebaut, einen Teeladen eröffnet, bin als Unternehmer zum Millionär geworden und habe mit 60 Jahren zum ersten Mal an der Uni gelehrt." Der kleine Kanadier wippt glücklich auf seinen Zehenspitzen auf und ab.
Lebenserfahrung statt Bologna-Bulimie-Lernen
"Wusstet ihr, dass die meisten Unternehmer nie einen Businessplan geschrieben haben? Wozu auch? Don't ask, just do! Lebt eure Träume!" Nie zuvor habe ich einen Professor erlebt, der in jedes seiner Wörter so viel kindliche Freude und Enthusiasmus legt wie er. Dieser Kurs, das merken wir alle in der ersten Stunde, vermittelt uns Lebenserfahrung statt Bologna-Bulimie-Lernen. Bevor die Vorlesung endet, wendet sich Brian an uns internationale Studenten: "Wandert durch die Straßen dieser phantastischen Stadt, atmet ihn ein, den American Spirit!"
In Haight Ashbury, dem Hippie-Viertel von San Francisco, atme ich nicht nur den American Spirit ein, auch den unverkennbaren, süßlich-penetranten Geruch von Marihuana. Die Rocklegenden Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison haben hier gelebt, die Atmosphäre hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Vor dem ehemaligen Wohnhaus von Janis Joplin hockt eine Gruppe junger Männer, sie ziehen entspannt an ihrer Pfeife. Eine Polizeipatrouille kommt vorbei - und lässt sie weiter ihre Rauchringe ausatmen.
Zurück von meinem Ausflug in die Hippiewelt, gibt es laute Aufregung auf dem Campus. Polizisten haben das Wohnheim betreten, es gab eine unangekündigte Razzia auf der Suche nach verdächtigem Verhalten. Eine 20-jährige Kommilitonin aus Australien wurde mit einem geöffneten Bier in der Hand erwischt. "Underage drinking" nennt der Gesetzgeber das. Dafür gibt es fünf Sozialstunden, eine Verwarnung - und einen Strafaufsatz über unerlaubten Alkoholkonsum. Auch das ist Amerika.
Sieht man einmal vom verkrampften Umgang mit Alkohol ab, habe ich Kalifornien als Land der Lässigkeit kennengelernt. Chris Hughes, Co-Gründer von Facebook und Verleger des Magazins "The New Republic", hielt an meiner Uni einen Vortrag über Social Media und die damit verbundenen Chancen und Perspektiven für den Journalismus.
Doch statt auf einer großen Bühne mit großen Worten über Facebook zu schwadronieren, ging Hughes nach seinem Vortrag ("Der Film 'The Social Network' ist maßlos übertrieben: Wir hatten weder Luxusapartments noch Sex im Badezimmer.") mit dem Mikrofon in der Hand auf uns Studenten zu. "Ich will keine Monologe halten", sagt er, "mich interessiert mehr, was euch bewegt."
Ich frage ihn, ob die gedruckte Zeitung eine Zukunft hat. "Ich weiß zwar nicht, ob in fünf oder in zehn Jahren, aber in den USA wird Print schon bald keine Rolle mehr spielen", antwortet Hughes. "Anders übrigens als auf dem europäischen Markt: Gute Paid-Content-Modelle fehlen, dort wird der Umbruch noch Jahrzehnte andauern", sagt er und zwinkert mir zu.
Eine Kommilitonin steht auf: "Ich habe eine Businessidee entwickelt, können wir mal darüber reden?" Hughes lacht. "Klar, komm im Anschluss auf mich zu." Und tatsächlich sehe ich hinterher, wie die beiden, über ein paar Seiten Papier gebeugt, eine Viertelstunde lang miteinander diskutieren.
Neue Geschäftsidee: Rent-A-Vacuum-Cleaner
Die nächste Stunde Brian McKenzie steht auf dem Vorlesungsplan. Zusammen mit fünf Kommilitonen aus dem Wohnheim habe ich die Prüfungsform "Mit 50 Dollar Startkapital eine Businessidee real umsetzen" gewählt. Unser kauziger Professor hatte in der letzten Vorlesung betont: "Wenn ihr nach interessanten Ideen sucht, denkt nicht an das, was die Menschen gerade gut finden. Schaut, was die Leute stört, was ihnen fehlt!"
Nach der letzten Party im Wohnheim mussten wir feststellen, dass das Wichtigste nirgends zu finden war: ein Staubsauger! Die Marktlücke war gefunden, unsere Businessidee geboren: Rent-A-Vacuum-Cleaner, eine Staubsaugervermietung für das internationale Wohnheim.
Nachdem wir die nächsten Schritte unternommen hatten (Staubsauger gekauft, Angebotsformen diskutiert, Werbeflyer gestaltet), können sich die Kommilitonen endlich wieder über saubere Apartments freuen. Auch Brian ist begeistert: Der Break-Even-Punkt, bei dem der Umsatz die Kosten ausgleicht, war schnell erreicht. Millionäre werden wir damit nicht werden, aber selten war ein einzelner Kurs so praxisnah wie dieser.
Als wir Brian unsere Bilanz präsentieren, ist auch er zufrieden. "Da draußen sind viele kluge Köpfe mit neuen Ideen. Aber man wird kein Unternehmer, wenn man nur denkt und sich zu komplizierte Fragen stellt. Man muss handeln." Und dann beendet er seine Vorlesung mit diesem Satz, der mich immer an das Auslandssemester in Kalifornien erinnern wird: "Don't ask, just do!"
Source : der Spiegel
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