Illegale Imker auf
New Yorks Dächern
Bienenzüchter kämpfen gegen Verbot
Lokal produzierter Honig ist in New York beliebt, Bienen nicht: Die Haltung der "giftigen Wildtiere" ist in der Stadt verboten. Widerspenstige Imker verteilen dennoch Bienenstöcke auf Dächern - und die Gemeinde der Bienenliebhaber wächst rapide.
"Als würden wir Tiger züchten"
John H. ist seit acht Jahren Hobby-Imker. Auf dem Dach seines Hauses in Brooklyn hält er zwei Bienenvölker in unscheinbaren grauen Kästen. Weil Bienen jedoch als Wildtiere klassifiziert sind, ist ihre Haltung innerhalb der Stadt verboten - einzige Ausnahme: Bildungseinrichtungen. Bis zu 2000 Dollar Strafe kann es kosten, wenn ein nicht autorisierter Bienenstock entdeckt wird. "Das ist ein völlig hysterisches Gesetz", ärgert sich John, "als würden wir kleine Tiger auf unseren Häusern züchten. Es ist vor etwa fünf Jahren in Kraft getreten, und wir wissen nicht einmal, wer das Ganze angeleiert hat."
Mehr Geschichten aus New York
Mit "wir" meint der Pensionär die anderen Untergrund-Imker der Stadt. Ihre genaue Zahl bleibt ungewiss, aber dank des umtriebigen Ex-Lehrers ist ein Teil von ihnen sehr gut organisiert. 2006 gründete John ein Internetforum für New Yorker Bienenliebhaber - um einfacher Kontakt halten zu können mit den fünf andern Imkern, die er kannte. Heute hat die Gruppe fast 300 Mitglieder, Tendenz täglich steigend, und veranstaltet monatlich Honigverkostungen oder Infoabende. Sogar eine Kooperative ist daraus entstanden, um gemeinsam die Honiggewinnung zu verbessern und die Legalisierung der Bienenhaltung voranzutreiben. "Es kann nicht einfach jeder Honig in der heimischen Küche herstellen wie er will", sagt John.
Kurs für heimliche Imker
Weil noch immer nur ein gutes Dutzend der Mitglieder eigene Bienenstöcke in der Stadt hat, ist die Gruppe außerdem seit neuestem die Brutstätte der nächsten Generation heimlicher Honigproduzenten: Im Januar startete ihr erster Kurs für zukünftige Stadt-Imker, auch er ein voller Erfolg: "Die Leute stehen am Sonntagmorgen um neun vor der Tür, nicht mal der Schneesturm letzte Woche konnte sie aufhalten", erzählt John. Viele der 45 Schüler sind aus ländlichen Gegenden nach New York gezogen, kennen das Imker-Metier aus dem elterlichen Garten oder suchen ein interessantes Öko-Hobby. Sie sehnen sich nach einer Freizeitbeschäftigung, die sich abseits - oder eben oberhalb - der Häuserschluchten New Yorks abspielt. Wenn dabei ein paar Gläser Honig für Freunde und Nachbarn herauskommen, umso besser.
Der kraushaarige, energische Mann, der ihnen gemeinsam mit John beibringt, wo man Bienenkörbe hernimmt, wie man sich unauffällig Zugang zu Dächern verschafft und Ärger mit Nachbarn verhindert, ist da weniger romantisch: Er sieht das Geld im goldenen Saft. Der professionelle Imker musste seine Farm im Mittelwesten verkaufen, in New York hat er neu angefangen.
Seine Bienenstöcke - weit mehr als die üblichen ein bis zwei pro Hobby-Imker - sind in der ganzen Stadt verteilt, selbst in Chinatown und auf einem Zehngeschosser in Upper Manhattan hat er sie installiert. "Ich habe Kontakte zu den meisten Gärtnern in der Stadt aufgenommen", erzählt er, "wenn deren private, meist wohlhabende Auftraggeber nach etwas Neuem für ihre Gärten suchen, erzählen die Gartenpfleger ihnen von mir. Ein guter Deal: ihr Dach für meine Bienen, meine Bienen für ihre Freizeitbeschäftigung."
Ein Glas Honig für 20 Dollar
Der Imker holt mehrmals im Jahr mit den Paten die Ernte ein. Die Hochhausmetropole bietet den Insekten bei genauerem Hinsehen weit mehr als Central Park und Deko-Blumen: erstaunlich viele kleine Parks, winzige Vorgärten und weiträumige Dachterrassen. Etwa 120 Pfund Honig produziert jeder Bienenstock jährlich, kleine Delikatessen- und Bioläden reißen sich um ein paar Gläser davon. Bis zu 20 Dollar kann eines kosten, der Imker weiß, warum: "In den letzten Jahren sind überall in den USA Völker ausgestorben. Die New Yorker Bienen dagegen sind bisher gesund geblieben. Außerdem werden in New York keine Pestizide mehr benutzt. Deshalb hat Honig aus New York eine viel geringere Schadstoffbelastung als der vom Land."
Bisher bleiben die Imker meist unbehelligt, weil die Bienen knapp unter dem Radar der Gesundheitsbehörde fliegen: Solange sich niemand beschwert, drückt die ein Auge zu. "Man muss sich nur gut um seine Völker kümmern und die Bienen aus den Haaren der Leute fernhalten", sagen die Experten. Vielleicht dürfen sie bald auch offiziell bleiben: Im April wird über die Legalisierung städtischer Bienenhaltung beraten.
"Imker sind wie Bienen"
Den Imker würde es freuen: "Wir brauchen Strukturen wie in Deutschland, wo es eine Ausbildung und Qualitätskontrollen gibt. Aber das dürfte schwierig werden", meint er halb seufzend, halb lachend. "Imker sind wie ein Schwarm Bienen: freiheitsliebend - und schwer zu kontrollieren."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen