INTERNET-BUS
San Francisco surft ins Büro
Stau, Stress, stundenlange Fahrten - für die Pendler des Silicon Valley kein Problem mehr. Ein neues Hightech-Netz von Biosprit-Bussen bietet drahtloses Internet, Laptopanschlüsse und Café Latte. Das Allerbeste an der Revolution: Endlich können die Nerds schon auf dem Weg ins Büro arbeiten!
Draußen zieht San Franciscos Skyline vorbei - drinnen die E-Mails und Nachrichten.
Auf der Fahrt ins Silicon Valley knautschen sich Menschen in schwarze Ledersitze. Schließen Laptops an Steckdosen in der Busarmatur an. Checken Web-Seiten. Loggen sich per Virtual Private Network (VPN, mehr auf SPIEGEL Wissen...) in das Netzwerk ihrer Firma ein - und fangen schon mal zu arbeiten an.
Arbeitsweg mal anders: Drei Drahtlosnetz-Buslinien führen seit vergangener Woche von San Francisco ins Silicon Valley zu Tech-Königreichen wie San José, Sunnyvale oder Mountain View. Aufgemotzt mit Wireless Lan, Kabelfernsehen und einem Bordservice, der Café Latte, Muffins und Joghurt mit frischen Früchten reicht, vereinen die Busse technologischen Machbarkeitswahn und kalifornische Öko-Attitüde. Das Drahtlosnetz soll Tech-Pendler dazu bewegen, vom eigenen Auto auf umweltschonende Verkehrsmittel umzusteigen.
Neil Dsouza, 24, ist unter den ersten Gästen im neuen Nerd-Luxusliner. Er ist Programmierer beim IT-Riesen Cisco in San José. Doch dort im Silicon Valley will er nicht wohnen. Seine Wohnung liegt im etwa 60 Kilometer entfernten San Francisco. Wie die meisten, die im Valley arbeiten, muss er pendeln.
Die neue Buslinie hält er für eine attraktive Alternative zum eigenen Auto: "Die Zeit, die ich sonst hinterm Lenkrad säße, kann ich jetzt produktiv nutzen", sagt Dsouza. Nur Zeitung zu lesen und Musik zu hören reichte ihm nie als Anreiz fürs Busfahren - doch jetzt kann er im Netz surfen.
Etwas mehr als eine Stunde dauert die Fahrt von San Francisco ins Valley. "Wir geben den Pendlern jede Woche zehn Stunden ihrer Lebenszeit zurück", sagt Gary Bauer, Betreiber der Buslinie und CEO des Unternehmens Bauer's Intelligent Transportations. Die Zeitersparnis ist allerdings nicht ganz billig. 8,20 Dollar kostet eine Fahrt im Nerd-Luxusliner.
Neues Gesetz befeuert kreative Öko-Projekte
Dsouza allerdings muss das meiste davon nicht selbst bezahlen. Denn eine neue Umweltschutzverordnung im Großraum San Francisco schreibt Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern seit Januar vor, ihre Mitarbeiter für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu entschädigen - oder ihnen selbst Shuttleservices anzubieten. So zahlt Cisco für Dsouzas Ticket mit.
Bisher rechneten sich die Wi-Busse nur als privater Shuttleservice für IT-Riesen. Konzerne wie Google chauffieren mit ihnen schon länger die eigene Belegschaft zur Arbeit. Gary Bauer hofft nun, dass der Pendlertransport durch die neue Umweltschutzverordnung auch als öffentliches Verkehrsmittel funktioniert. Bei Geschäftserfolg sind weitere Linien geplant.
Die Drahtlosnetz-Busse fahren mit Biodiesel. Wären die drei Linien zweimal täglich mit je 52 Gästen ausgelastet, würden jährlich 1310 Tonnen weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet, hat Unternehmer Bauer ausgerechnet. Seine Firma brüstet sich damit, zu 96 Prozent CO2-neutral zu sein: Als Ausgleich für die eigenen Kohlendioxidausstöße kauft das Unternehmen Grünstromzertifikate (RECS), mit denen regenerative Energien gefördert werden.
Bauers Haltung ist symptomatisch für die auch von US-Präsident Barack Obama geforderte Öko-Wende. Immer wieder hat die neue Regierung hervorgehoben, dass das 787-Milliarden-Dollar-Konjunkturpaket grüne Technologien unterstützt. Schätzungen zufolge sind mindestens 38 Milliarden Dollar zur Förderung energieeffizienter Technologien vorgesehen, hinzu kommen bis zu 20 Milliarden Dollar weitere Steuererleichterungen in den kommenden zehn Jahren. Die sogenannte Green Tech gilt als einer der nächsten großen Wachstumsmärkte - und das Silicon Valley als Kreativschmiede ihrer Geschäftsmodelle.
Seit Obama Präsident ist und im Großraum San Francisco immer neue Umweltschutzgesetze erlassen werden, ist das Klima für Unternehmer wie Gary Bauer günstig. Einen neuen Boom wie zu Zeiten der Dotcom-Blase erwartet der Unternehmer aber nicht - "angesichts der größten Weltwirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Selektionsdruck weit größer", sagt er. "Es wird vermutlich keine neue Start-up-Schwemme geben."
Stabiles Netz durch Datenspreizung
Regen prasselt auf das Dach des schwarzen Tech-Shuttles. Über einem fernen Berg bricht milchig-gelbes Sonnenlicht durch die dunkelgraue Wolkenwand. Mit 70 Meilen pro Stunde schliddert der Wi-Bus auf dem klatschnassen 101-Highway gen Süden. Die Drahtlos-Verbindung schnurrt stabil bei 24 MBit pro Sekunde. Schon erstaunlich, wie funktioniert das eigentlich?
Während der Wi-Bus von rechts einen Pick-up überholt, ergibt eine Internet-Recherche auf der Web-Seite der Firma Parvus, dass die Drahtlos-Technologie der Wi-Busses den Namen Ridernet trägt - und auch an der Massachusetts Bay in Zügen eingesetzt wird, dort ebenfalls mit dem Ziel, Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiver zu machen. Der Ridernet-Dienst nutzt zur Herstellung der Internet-Verbindung eine Variante der sogenannten EVDO-Technologie.
EVDO steht für Evolution-Data Optimized. Grob erklärt ermöglicht es die Übertragung von Internet-Daten unter anderem via Radiosignal. Das Signal wird auf eine größere Bandbreite gespreizt und ist dadurch weniger anfällig gegen Störimpulse.
Tatsächlich ist der Internet-Empfang an Bord sogar besser als das TV-Signal. Die CNN-Diskussionsrunde, die im Bus über sechs Flachbildschirme flackert, reißt immer wieder ab. "Wir leben in einer Facebook-Welt", kreischt dort gerade ein Talkshow-Gast, vom stotternden Empfang unterbrochen. "In einer Twitter-Welt! Einer American-Idol-Welt! Aber wir leben auch in der realen Welt. Vergessen Sie das nicht!"
Für einen kurzen Moment mustert Dsouza nachdenklich den Monitor, dann schaut er lieber wieder auf den Laptop und programmiert weiter Code.
source: spiegel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen