Black Friday
Kommandoaktion Weihnachtsshopping
Black Friday: Wie hier bei Macy's in New York City zogen in der Nacht zum Freitag in den USA rund 80 Millionen Menschen zur kollektiven Schnäppchenjagd durch die Einkaufszentren. |
In einer Walmart-Filiale in Los Angeles etwa wollte sich eine Frau ihr Schnäppchen mit besonders harten Bandagen erkämpfen. Als eine Palette mit preisreduzierten Xbox-Spielkonsolen in den Laden geschoben wurde, nebelte sie die anderen Wartenden mit Pfefferspray ein, wohl, um sich ein Exemplar sichern zu können. In der darauffolgenden Panik zogen sich zehn Personen Prellungen und Schnittwunden zu, weitere zehn erlitten Augenverletzungen durch das Spray. Die Täterin entkam unerkannt.
Rabiate Aktionen wie diese sind freilich die Ausnahme am amerikanischen Rabattfreitag. Die Mehrheit der Shopper macht sich ganz friedlich auf die Schnäppchenjagd. So wie Robert Agnew und seine Frau Charlotte Molokken aus North Springfield, die seit sieben Jahren keinen Black Friday ausgelassen haben. Allerdings beginnt ihre Schnäppchenjagd in diesem Jahr zu einer ungewöhnlichen Zeit. Kurz vor Mitternacht wollen sie ihren Einkaufsbummel beginnen. Die Öffnungszeiten wurden vorverlegt, um das Gedränge zu entzerren.
Polizeischutz für Schnäppchenanbieter
Weil sie wissen, dass es eng werden wird, haben sich Robert und Charlotte gut vorbereitet: Die ganze Woche habe sie Prospekte gesammelt, Angebote notiert und Rabatt-Coupons aus Tageszeitungen geschnippelt. Speicherkarten, DVDs, ein Topf-Set und Bettdecken stehen auf ihrem Wunschzettel. Letztere sollen heute statt 160 nur 58 US-Dollar kosten.
Schnäppchen wie dieses sind es, mit denen Kunden in die Läden gelockt werden. Dass das Prinzip funktioniert, merkt das Ehepaar, als es gegen 23.30 Uhr vor seinem ersten Ziel, einer Filiale der Unterhaltungselektronikkette Best-Buy vorfährt: Der riesige Parkplatz ist vollgeparkt, die Schlange der Wartenden zieht sich bereits um das ganze Gebäude.
Robert Agnew kann das nicht schrecken: "In den letzten Jahren hat sich die Lage etwas entspannt", erzählt er. Seit vor drei Jahren ein Mitarbeiter der Supermarktkette Walmart am Black Friday von den Besuchermassen totgetrampelt wurde, stehen am Eingang jedes Geschäfts mehrere Polizeibeamte. Kunden werden gruppenweise eingelassen, wer später kommt, muss warten, bis der vorhergehende Trupp den Laden verlassen hat.
Kommandoaktion Shopping-Event
Agnew und Molokken müssen deshalb 20 Minuten warten, bevor sie eingelassen werden. Der Laden ist überhitzt, laute Musik dröhnt aus Lautsprechern, einige Gänge sind bereits von Kunden blockiert, die an den Kassen anstehen. Das Ehepaar weiß genau, wonach es sucht, geht planvoll vor und trennt sich direkt am Eingang. Einkaufen am Black Friday ist kein Shopping, es ist eine Kommandoaktion.
Und von dieser Aktion verspricht sich die US-Wirtschaft üppige Einnahmen. Die Hälfte aller Weihnachtsgeschenke werden in den USA am Black Friday gekauft, im Durchschnitt gibt jeder Amerikaner an diesem Wochenende 700 Dollar aus. Der Black Friday ist in den USA der mit Abstand umsatzstärkste Tag des Jahres.
Nicht alle können shoppen
Als sie ihre Wunschartikel erbeutet haben, beginnt für Agnew und Molokken der anstrengende Teil des Einkaufens: Sie müssen sich in die Schlange vor der Kasse einreihen. Ein eifriger Verkäufer drängt sich dazwischen und bietet den Wartenden Kopfhörer, Digitalkameras und Handyhüllen zum halben Preis an.
Doch es gibt auch Kunden, die das Geschäft verlassen, ohne etwas zu kaufen. Längst nicht alle Artikel werden vergünstigt angeboten. Laptops, Handys und Festplatten etwa stehen oft mit unveränderten Preisschildern im Regal. Außerdem sind viele Amerikaner vorsichtig geworden. "Hohe Arbeitslosigkeit, wackelige Aktienmärkte sowie hohe Benzin- und Lebensmittelkosten werden sich 2011 wohl auch im Feiertagsgeschäft bemerkbar machen", erklärt Ellen Davis von der National Retail Federation, NRF.
Erlebnis statt Einkauf
Der nächste Stopp des Ehepaars ist ein Einkaufszentrum mit 150 Geschäften. In der dortigen Macy's-Filiale wird das günstige Topf-Set angeboten. Als sie vor der Shopping-Mall den Wagen abstellen, ist es bereits 2.30 Uhr. Tausende Menschen drängen sich durch die Gänge. Viele Gesichter wirken erschöpft, einige Kunden haben offenbar Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten, sie umklammern Pappbecher mit Kaffee.
"Der Eindruck so vieler Menschen mitten in der Nacht ist immer wieder überwältigend", meint Agnew und gähnt. Für die ersehnten Küchenutensilien reiht sich der 29-Jährige noch einmal in eine Schlange ein, gibt danach jedoch auf. "Die Bettdecken können wir online auch günstig bekommen", schlägt er seiner Frau vor. Neben dem Black Friday hat sich der darauffolgende Montag als "Cyber Monday" etabliert. 2010 nutzen mehr als 100 Millionen den Online-Schnäppchentag für den Weihnachtseinkauf per PC.
Für Robert und Charlotte endet die Schnäppchennacht jedenfalls noch vor dem Frühstück. Die vorgezogenen Öffnungszeiten halten sie für einen Flop, finden das nächtliche Shopping anstrengend. Mehr gekauft haben die beiden wegen der Nachtöffnung jedenfalls nicht: "Es ist einfach ein Event, das man nicht verpassen will, Geld ausgeben ist dabei nicht das Wichtigste."
source spiegel
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