100 Jahre Miami Beach: Sandbank der Reichen und Schönen- Party
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Miami Beach (dpa) - Vor einer Kulisse aus Palmen, Strand und Meer schwärmen schöne Menschen über den Ocean Drive in Miami Beach. Luxuswagen bahnen sich ihren Weg über die berühmte Strandpromenade. Die rund elf Kilometer lange Insel im US-Bundesstaat Florida ist ein Urlaubsparadies mit einer ereignisreichen Geschichte. In nur 100 Jahren mauserte sich die mangrovenbewachsene Sandbank zum angesagten Zufluchtsort für Sonnenhungrige, Nachtschwärmer und Prominente.
Sandbank der Reichen und Schönen
Keiner weiß mehr über Miami Beach als Seth Bramson. Der Bungalow des Hobbyhistorikers quillt über vor staubigen Memorabilia: Poster, Ansichtskarten, Hotelprospekte, Restaurantporzellan. Eine Million Souvenirs, halbwegs sortiert in krummen Regalen, bis unter die Decke.
"Ich sammelte schon als Kind", sagt Bramson, 71. "Vorsicht, wo Sie hintreten!" Er präsentiert einen Aschenbecher des Venetian Isle Motels, an dessen Stelle heute ein Luxus-Hochhaus steht: "Ein Jammer!"
Seit 68 Jahren lebt Bramson in Miami Beach - selten für eine Stadt, in der kaum jemand länger bleibt als ein paar Saisons, bevor die nächste Generation alles wieder neu erfindet.
Am Donnerstag feiert der bekannteste Badeort der USA sein hundertjähriges Bestehen. Die einstige Mangroveninsel am Südzipfel Floridas hatte schon viele Reinkarnationen: Sommerfrische, Art-déco-Juwel, Gangsterversteck, Rentnerparadies, Drogenhölle, Schwulenmekka, Szenetreff. Was kommt als Nächstes?
"Gute Zeiten, schlechte Zeiten", murmelt Bramson, der das offizielle Jubiläumsbuch verfasst hat, bevor ihn die Stadt feuerte: Man wollte eine retuschierte Chronik, in der die dunklen Seiten - Kriminalität, Korruption, Kokain - nicht vorkamen. Dabei machen die den einzigartigen Reiz aus.
Dieser abenteuerlichen Historie lässt sich mit einem Fußmarsch nahe kommen. Viele Schauplätze existieren bis heute in einem Quadranten - South Beach, kurz SoBe (siehe Karte). Hinter dessen restaurierten Fassaden stecken oft schrille Storys, die selbst Insider überraschen.
Doch die Vergangenheit ist von der Zukunft bedroht. "Wir kämpfen täglich gegen Immobilienhaie, die die alten Gebäude abreißen wollen", klagt der Architekt Steve Pynes, der Chef der Miami Design Preservation League (MDPL), der seit 1992 hier lebt. "Sie zerstören unser Gewerbe."
Das zeigt sich schon an der Südspitze. Seit 1915 steht hier das Brown's Hotel (A), das erste Hotel der damals sonst noch unerschlossenen Insel. Heute verschwindet es im Schatten 40-stöckiger Penthouse-Luxustürme.
Die Sandbank entdeckt hatten der Farmer Henry Lum und sein Sohn. Ihr Plan, daraus eine Kokosnussplantage zu machen, schlug freilich fehl: Karnickel fraßen die 334.000 aus der Karibik angeschifften Pflanzen auf.
Mehr Glück hatte der Quaker John Collins. Er versuchte, eine Brücke über die Bucht zu bauen. Mit einem Kredit des Autopioniers Carl Fisher wurde die längste Holzbrücke der Welt - heute der Venetian Causeway (M) - 1913 fertig, gefolgt 1920 vom jetzigen MacArthur Causeway (C).
PR-Genie Fisher gilt als "Vater von Miami Beach". Er machte den Ort berühmt, indem er Elefanten an den Strand brachte, Badenixen posieren ließ und den Golfurlaub von Präsident William Harding 1921 publizierte.
Neil Emmerson / Robert Harding World Imagery / Corbis
Erster Boom: Viele der Hotels entstanden in den Zwanziger- und Dreißigerjahren
Ganoven schmeckte so etwas auch. Al Capone kaufte sich eine Villa auf Palm Island (D). Das Anwesen, auf dem er 1947 auch starb, wechselte über die Jahre immer wieder den Besitzer und dient zurzeit für Fotoshootings.
1926 beendete ein Hurrikan den Aufschwung abrupt. Die Verwüstung löste eine Wirtschaftskrise aus, drei Jahre vor dem Rest der USA. Erst in den Dreißigerjahren erholte sich Miami Beach wieder - dank einer Gruppe Investoren, die den Ocean Drive entlang des Strandes bebauten.
Die ersten Häuser entstanden im Stil des Mediterranean Revivals, der dem geschichtslosen Flecken den Anschein von Geschichte gab. Etwa die Casa Casuarina (G) von 1930, die später der Modedesigner Gianni Versace kaufte - und vor der er 1997 von einem Serienkiller erschossen wurde.
Aus dem Thirties-Boom stammen die meisten Art-déco-Bauten. So das Clevelander (F) und Carlyle (I), in denen später Szenen der TV-Kultserie "Miami Vice" gedreht wurden. Das Carlyle diente 1996 außerdem als Schauplatz der Kinokomödie "Birdcage". Das Cameo Theater (K) eröffnete 1936, die Hoffman's Cafeteria (L) 1940.
Nightclubs waren der Nachkriegstrend. Das Copa City (N), entworfen von Norman Bel Geddes, dem Vater des "Dallas"-Stars Barbara Bel Geddes. Das Latin Quarter (D), von Lou Waters gemanagt, dem Vater der TV-Dame Barbara Walters. Der Aladdin Room (P). Der Mambo-Club Place Pigalle. Von keinem ist heute noch etwas übrig.
Anders die grandiosesten Exemplare, das Fountainebleau (Q) und das Eden Roc (R), zwei exorbitante Fünfzigerjahre-Hotels am Nord-Beach. Ersteres war später ebenfalls Filmkulisse ("Goldfinger", "The Bodyguard").
Hier durften erstmals auch schwarze Entertainer auftreten, allen voran Josephine Baker. Da in Miami Beach noch Rassentrennung herrschte, mussten sie jenseits der Bucht nächtigen, im Schwarzenviertel Overtown.
Morris Lapidus, Architekt des Fountainebleau und Eden Roc, unterzog auch die Lincoln Road (L) einem Facelift. 1912 als erste Passage durch die Mangroven geschlagen, wurde sie zur populärsten Fußgängerzone.
Im 1957 erbauten Convention Center (O) fanden Miss-Universe-Wettbewerbe statt, Massenmessen und 1964 der Boxkampf, der Cassius Clay zum Schwergewichtsweltmeister machte - und zu Muhammad Ali.
Dann kam die nächste Flaute. Alte Hotels wurden abgerissen, andere zu Altersheimen heruntergewirtschaftet. Eine der wenigen Lokalitäten, die sich gehalten haben, ist das kubanische Restaurant Puerto Sagua (S).
Die Mariel-Bootskrise brachte 1980 eine Viertelmillion Kubaner nach Südflorida. Darunter viele redliche Familien, die Grundlage der heutigen Exilantengemeinde - aber auch Kriminelle. Zugleich begann Kokain aus der Karibik ins Land fließen. Das Rentnerparadies wurde zur Drogenhölle.
Morde auf offener Straße, schamlose Dealer, Ärzte, die sich mit Koks bezahlen ließen: Es waren die Jahre der "Cocaine Cowboys", porträtiert im Thriller "Scarface" (1983). "Miami Vice" verklärte die Zeit zum Pastell-Modetrend, was zu einer Renaissance führte. Schon ab 1979 kamen die ersten Art-déco-Häuser unter Denkmalschutz (E), oft gegen lauten Widerstand.
Es folgten Supermodels, Starfotografen und die Gays. Das Cameo Theater - zwischenzeitlich auch mal im Besitz von Prince - und die frühere Hoffman's Cafeteria, nun Warsaw Ballroom, wurden Dance-Clubs. Die "White Party" war die weltgrößte Aids-Benefizveranstaltung.
Nach den Schwulen kamen wie immer die Heteros. 2002 debütierte die Mega-Kunstmesse Art Basel in Miami Beach - und mit ihr eine ganz neue Klientel. Heute ist Miami Beach Schauplatz wilder Partywochenenden.
Seth Bramson dagegen wagt sich nur noch selten ins Zentrum. "Der Verkehr", schimpft er zu Recht, "ist unerträglich geworden." Lieber kramt er in seinem Privatarchiv herum und hängt den guten alten Zeiten nach.
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