Rodeo Drive in Beverly Hills
Eine halbe Meile Dekadenz
Vor hundert Jahren wurden hier Bohnen angebaut: Der Rodeo Drive mit seinen Edel-Shops entstand auf einstigem Ackerland.
Weniger als eine halbe Meile voller Geschäfte: Entlang des Rodeo Drive reiht sich alles, was in Sachen Kleidung, Juwelen und Parfum Rang und Namen hat.
Die Haupt-Location im Film "Pretty Woman" mit Richard Gere und Julia Roberts war das Hotel Beverly Wilshire Four Seasons am Wilshire Boulevard direkt gegenüber vom legendären Rodeo Drive. Damals hieß es noch Regent Beverly Wilshire.
Ein Ferrari fällt im Rodeo Drive kaum mehr auf.
alentino: Gucci machte im Rodeo Drive als Erstes einen Laden auf, Louis Vuitton und Co. folgten.
Teuerste Einkaufsstraße der USA: Blick auf den legendären Rodeo Drive mit seinen Luxusboutiquen im Stadtteil Beverly Hills in Los Angeles (Kalifornien). Besonders vor den Oscar-Verleihungen kaufen hier die Stars ein.
Alle paar Minuten stakste sie auf ihren enorm hohen Stöckelschuhen aus dem Laden und kaufte ihrem Chef Zeit. Für drei Minuten zahlte sie fünf Cent, für 15 Minuten stopfte sie eine Vierteldollar-Münze in die Parkuhr am Rodeo Drive.
Nach spätestens einer Stunde musste die Assistentin von Bijan wieder angestöckelt kommen und für den zitronengelben Rolls-Royce-Cabrio mit dem Nummerschild "BP 111" nachwerfen: Selbst wenn gerade Kunden wie Tom Cruise oder Anthony Hopkins im Laden standen, auch wenn Bill Clinton oder Barack Obama da waren, Stephen King oder der saudische König. Alles Stammkunden dieses Geschäftes am Rodeo Drive, das mit dem Slogan wirbt, der teuerste Herrenausstatter der Welt zu sein. Und wo jeder - sei er noch so vermögend - zuvor einen Termin braucht.
Weil der exzentrische persische Edelschneider Bijan Pakzad fand, dass der gelbe Luxuswagen so gut zur Farbe seines Ladens und noch besser zum Image passte, stellte er ihn direkt vor der Tür ab. Der Spaß kostete jeden Werktag gut zehn Dollar. Kleingeld war für einen wie Pakzad nicht der Rede wert - nicht für einen Anrainer der exklusivsten Einkaufsstraße der USA, wo ein Geschäft in guter Lage leicht 100.000 Dollar Monatsmiete kosten kann. Ohne Parkplatz.
Pakzads Auftritt so ganz ohne Understatement prägte diese Straße. Mit ihm fiel der Rodeo Drive auf, machte Schlagzeilen, entwickelte sein Image, gut und teuer zu sein - und eine Nobelmarke nach der anderen siedelte sich hier an.
Gucci machte den Anfang
Vor bald drei Jahren starb Bijan Pakzad, Laden und Label "Bijan" bestehen weiter, die Kinder und langjährige Geschäftspartner führen ihn nun. Die Anrainer dieser Straße haben dem Schneider aus dem Iran viel zu verdanken. Er machte ihre Straße berühmt: mit der Idee, ein Bekleidungsgeschäft "By appointment only" zu öffnen.
Der Rodeo Drive ist keine halbe Meile lang, aber jeder, der in der Modewelt einen großen Namen hat, ist an dieser Straße vertreten, zahlt die höchsten Mieten Kaliforniens, verkauft teuerste Couture, dazu Schmuck, Uhren und zeigt Flagge: Valentino und Versace, Dolce&Gabbana und Armani, Bulgari und Cartier - alle wollen mitspielen an diesem Straßenabschnitt zwischen Wilshire- im Süden und Santa-Monica-Boulevard im Nordwesten.
"Begonnen hat das alles erst 1968", erzählt Tom Blumenthal, selbst Inhaber eines Uhrengeschäftes am Rodeo Drive und lange Präsident des Anrainer-Komitees, in dem sich die Geschäftsleute zusammenschlossen. "Bis dahin war das eine Straße wie jede andere in Beverly Hills. Ein paar Läden und Restaurants, ein Stück weiter nur noch Wohnhäuser, viel Grün. Aber als erst Gucci aufmachte, dann Louis Vuitton folgte und vor allem Bijan mit seinem 'Nur mit Termin'-Konzept für Furore sorgte, wollte plötzlich jeder hier sein."
Die Mieten steigen fast über Nacht - und es war hip, hier einzukaufen. Wenn Blumenthal, um die 40, im Hinterzimmer mit Ledersofa erzählt, blickt er immer mit einem Auge zum Monitor der Überwachungskamera. Er will wissen, was vorne in seinem Laden los ist - wer kommt, wer geht, wie viele Verkäufer sich zugleich um die begüterte Kundschaft bemühen. Zwei-, dreimal im Monat macht er sogar nachts auf - weil irgendein Prominenter angefragt hat und gern in aller Ruhe einkaufen möchte.
Anreisen mit 10, abreisen mit 150 Koffern
"Kaum zu glauben, dass all die Parzellen vor nur knapp über hundert Jahren Ackerland waren, auf dem nichts als Bohnen angebaut wurde", wundert sich Historiker Marc Wanamaker, der mehrere Bücher über die Geschichte von Beverly Hills geschrieben hat.
"Es gibt Leute zum Beispiel von der arabischen Halbinsel, die heute mit zehn Koffern anreisen, sich gleich gegenüber vom Rodeo Drive im 'Pretty Woman'-Hotel Beverly Wilshire Four Seasons einmieten und vier Wochen später mit 150 Koffern wieder abreisen", sagt Wanamker. "Wo sie das alles gekauft haben? Gleich hier. Auf einer Drittel Meile voller Geschäfte."
Auch wer nicht shoppen gehen will oder kann, findet sein Vergnügen. Auf dem Asphalt rollen im Schritttempo die Leihwagen der Schaulustigen und die Ausflugsbusse der Touristen auf Rundtour durch Beverly Hills. Sie sind auf Pirschfahrt, auf Prominenten-Safari und hoffen, einen der Leinwandstars in Zivil auf dem Boardwalk zu entdecken. Dabei könnten die meisten von denen unerkannt in der Busreihe vor ihnen sitzen.
Hollywood-Helden sehen nur im Film aus wie Stars - und können selbst am Rodeo Drive ganz normal einkaufen gehen. Am ehesten fallen sie durch die Reaktionen der Verkäufer auf: bei Valentino zum Beispiel, wenn der Filialleiter plötzlich mitten im Satz abbricht, alles stehen und liegen lässt, um sich um Julia Roberts zu kümmern, die gerade lautlos durch die Ladentür kommt - offenbar mit der festen Absicht, zügig ein paar tausend Dollar auszugeben.
Kein Laufsteg funktioniert ohne Publikum
So zuvorkommend wurde Roberts entlang dieser Straße nicht immer bedient. Zumindest nicht in ihrer Rolle als Vivian Ward. Im Filmklassiker "Pretty Woman" flog sie der goldenen Kreditkarte zum Trotz beim ersten Anlauf kurzerhand wieder aus einer Nobelboutique, weil sie nicht angemessen gekleidet war.
Gleichwohl, der Rodeo Drive ist nicht überheblich, Schwellenangst nicht erforderlich: Zwar ist diese Straße mehr als jede andere ein Laufsteg, und die Geschäfte sind Bühnen. Aber kein Laufsteg funktioniert ohne Publikum. Schaulust ist Teil der Inszenierung. Und auch wenn Couturier Bijan kaum jemanden in seinen Laden ließ, sind neugierige Blicke durchs Schaufenster doch überall durchaus erwünscht.
Sie gehören zum Gesamtkonzept wie der gelbe Rolls-Royce, wie die gewaltigen Freitreppen in manchen Läden, die drinnen auf eher kleine Emporen führen. Und wie die Menschen, die sich gegenseitig vor dem Straßenschild mit dem goldenen Schriftzug "Rodeo Drive" auf schwarzem Grund fotografieren.
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