Apples iPad
Steve Jobs öffnet seine Wundertüte
San Francisco/Hamburg - Monatelang hatte es Gerüchte gegeben, Spekulationen, Insiderhinweise - am Ende war es keine Überraschung mehr, was Apple-Chef Steve Jobs in San Francisco vorstellte. Aber beeindruckend war es trotzdem.- ein Buch-, Zeitungs- und Magazinlesegerät - er hat das ideale Format dafür, er ist farbig und einfach zu bedienen, außerdem wird ein neues Angebot namens iBook den Kauf digitaler Bücher für viele Menschen vereinfachen.
- eine mobile Spielkonsole - duck dich, Nintendo!
- ein HD-Multimediaplayer - angebunden an den iTunes-Store von Apple und damit an eine äußerst profitable Verkaufsmaschine für Musik, Filme und Fernsehserien.
- eine Surfstation - man kann damit schnell und auch von unterwegs unkompliziert ins Internet (nur Flash funktioniert nicht).
- ein kleiner Arbeitsplatz - Apples Bürosoftware iWork läuft auf dem Gerät.
Das Ding ist damit fast alles, womit sich der Geräteliebhaber in seiner Freizeit gern beschäftigt - und bedient zahlreiche Wünsche und Begehrlichkeiten der Inhalte-produzierenden Kreativindustrien. Was der iPad nicht kann, sind komplexe Büroanwendungen. Aber danach sucht der Heimnutzer nicht.
Apples neues Gerät ist wie alle Apple-Produkte: Sie gelten als stilvoll, wertig, auch teuer - vor allem aber gelten sie als ganz besonders nutzerfreundlich. Schon vor Jahrzehnten setzte der Konzern Maßstäbe bei der Entwicklung grafischer Schnittstellen. Sie ermöglichten es zu einer Zeit, in der Computernutzung nur für Ingenieure normal war, auch Laien, die Welt der Rechner für sich zu erobern.
Helfer für gebeutelte Branchen
Immer wieder leistete Apple Pionierarbeit - nicht immer geschäftlich erfolgreich, aber stets innovativ. Zu Beginn des neuen Millenniums mauserte sich Apple zu einer Marke, die nicht nur für Fans ein Begriff war, sondern für Jedermann. Zuerst mit dem iPod, später mit dem iPhone begann sich Apple zu verändern, vom Computer- zum Unterhaltungselektronikkonzern, übrigens seit Jahren einem der profitabelsten der Welt. Mit dem iPhone veränderte Apple von Grund auf die Art, wie Menschen Handys und das mobile Internet nutzen und wie viel sie dafür bezahlen. Vielleicht seit dem Siegeszug der Musik-Downloads im iTunes-Store, spätestens aber seit diesem Mobilfunk-Kunststück gilt Apple als Hoffnungsträger für gebeutelte Branchen. Und als Angstgegner für solche, in denen Apple bisher nicht aktiv ist.
Machen wir uns den Spaß einer Inventur, was man sich da so vorstellen könnte.
- Da wären zum einen die Verlage von Büchern, aber auch Magazinen und Zeitungen. Das druckende Gewerbe leidet daran, dass der Übergang hin zu elektronischem Vertrieb im Gange ist - das Problem: Es gibt genügend Techniken, die dem Druckwerk Konkurrenz machen, aber bisher keine, die all seine Funktionen und Bequemlichkeiten vollständig ersetzen könnten. Was bisher als E-Book-Reader auf dem Markt ist, trägt zwar oft die Bezeichnung Elektronisches Papier, ist aber letztlich nur ein abgespeckter Flachrechner. Schon ein weniger abgespeckter Ansatz wäre da höchst begrüßenswert: ein Gerät für alle möglichen Funktionen statt vieler Geräte für einzelne Funktionen. Vor allem die Verleger aktueller Medien hoffen hier auf mehr als auf die statischen, farblosen E-Book-Reader. Ihre Idealvorstellung: ein mobiles Lesegerät, das alles attraktiv darstellen kann (und natürlich zählt dazu auch die schicke Werbung).
- Das Musik-Business wird zum Einzeldatei-Verkaufsbusiness, verkauft gerade im Download viel mehr Häppchen statt großer Werke. Das ist, als würde der Brötchenmarkt leicht anziehen - während der Brotabsatz kollabiert. Kein Wunder, dass auch die Musikbranche sehnsüchtig auf Möglichkeiten hofft, ihre Produkte wieder wertiger zu bündeln, zu präsentieren und zum Konsum anzubieten. Der kleine MP3-Player, der Musik nicht als Werke behandelt, sondern als Ware, die man in Tausendereinheiten abspeichert, gibt das nicht her. Der PC auch nicht. Ein Tablet vielleicht?
- Sicher, zumal auch die Filmproduzenten nicht uninteressiert sein dürften. Für sie ist das Wort Digital längst Bestandteil jedes Schrittes ihrer Produktions- und Vertriebskette. Einzig das Feld der mobilen Multimediaplayer will nicht so recht funktionieren. Mobile DVD-Player kamen und gingen, TV-Handys will niemand wirklich, spezialisierte HD-Player sind teuer und nur Gadgets für echte Freaks - wer kauft sich schon ein 600-Euro-Gerät, das außer Film nichts kann?
Steve Jobs bemühte sich redlich, eine solche zu produzieren.
Dass Apple mit seinem iPad deutlich unter den Preiserwartungen der Fachwelt blieb, war am Mittwochabend die einzige echte Überraschung. Ein Einstiegspreis von 499 Dollar ist zwar eine Menge für ein tragbares Unterhaltungselektronik-Gadget - aber es ist alles andere als ein astronomisch hoher Preis. Es ist die Preismarge der besseren Netbooks, der Einsteiger-Laptops. Es ist deutlich billiger als manches Smartphone und hat darum vielleicht wirklich die Chance, zu einer Art Jedermann-Rechner zu werden.
Chic und flach
Denn die vom iPhone her bekannte Benutzersteuerung glänzt durch Intuitivität, die auch Menschen ansprechen mag, die sich mit der Computerei bisher kaum anfreunden konnten. Chic und flach, mit den Fingern statt mit der umständlichen Maus bedienbar ist der iPad möglicherweise auch ein Mama-kompatibler PC.
Zumal er sich mittels einer ansteckbaren Tastatur wirklich zum Computer machen lässt, wenn man gerade einen braucht. Spötter erwarten mit Version 2 schon die Integration von Kaffeemaschine, Rasierer und Bügeleisen.
Ob der iPad deshalb wirklich zu Steve Jobs "größter Tat" wird, wie er im Vorhinein angeblich raunte, sollte man abwarten. Tablets gibt es seit einigen Jahren auf dem Markt, das Konzept ist nicht neu. Auch Bill Gates ging einst für seine "Mira" hausieren, die auch so vieles können wollte und es doch nicht durfte - weil kaum ein Kunde sie wollte.
Das iPad hat natürlich den Apple-Bonus. Es ist chic, Apple -Geräte zu besitzen. Heute mag die Nische für solche Rechner größer sein. Dass sie noch wachsen wird, steht außer Frage.
Demostration der Machbarkeiten
Während der Produktpräsentation in San Francisco begannen Apples Aktienwerte erst nach unten, dann nach oben zu drehen - auch das war zu erwarten. Die Nachricht vom Finanzparkett erinnerte daran, dass es dem Kaufmann Jobs nicht primär um die Beglückung der Welt geht, sondern um den wirtschaftlichen Erfolg von Apple. Der Konzern zeigte auch damit eindrucksvoll, dass er den Status eines Unternehmens erreicht hat, das Erwartungen an sich nur bestätigen muss, um eine Aufwertung zu erfahren. Am Ende wird es nicht mal darauf ankommen, dass das iPad sofort ein Erfolg wird. So mancher Vorstandschef dürfte Jobs beneiden.
Die Präsentation in San Francisco war eine Demostration der Machbarkeiten. Das iPad ist ausgefuchste, schicke Technik, aber es ist keine weltverändernde Innovation, die alles auf den Kopf stellen wird. Es bietet nichts, was man nicht erwartet hatte.
Trotzdem ist es eine Demonstration von Apples anhaltender Produkt-Innovationskraft. Ein Gerät, dass seinen auf der weltgrößten Unterhaltungselektronikmesse CES kürzlich vorgestellten Konkurrenten durchaus die Show stiehlt.
source: spiegel
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