Billigpille Sidagra
Thailand plant Viagra für Arme
Neben einem dicken Betonpfeiler hat die alte Straßenhändlerin an Bangkoks Sukhumvit Road ihren Klapptisch aufgeschlagen. Sie bietet alles an, was in Deutschland nur gegen Rezept in Apotheken erhältlich ist: Antibiotika, Aufputschmittel und vor allem Viagra. Sie verkauft die kleinen blauen Pillen, die müde Männer munter machen sollen, für 100 Baht pro Stück, rund 2,50 Euro.
Offiziell kosten sie auch in Thailand doppelt so viel. Vertrauenerweckend sehen die Packungen allerdings nicht gerade aus, die die Straßenhändlerin auf ihrem Tisch ausgebreitet hat: etwas angeschmuddelt, mit Tesafilm zugeklebt, Verfallsdatum und Herstellerangaben unleserlich gemacht. Die alte Frau macht dennoch gute Geschäfte: Ihr kleiner Stand steht in Bangkoks Vergnügungsviertel Nana. Hier sind nicht nur die Pillen billig, sondern auch der Sex. Die Behörden in Thailand warnen zwar regelmäßig, dass etwa 80 Prozent der illegal verkauften Potenzmittel gefälscht und meist auch gefährlich sind. Doch das scheint niemanden zu stören. Das Geschäft boomt, gerade hier, am Tor zu Bangkoks sündiger Meile.
Ein bis zwei Millionen Viagra-Tabletten des amerikanischen Pharmagiganten Pfizer werden nach Angaben der Gesundheitsbehörden jedes Jahr offiziell nach Thailand eingeführt. Die Zahl der im Land jährlich verkauften illegalen Potenzpillen soll dagegen nach Schätzungen der Behörden drei- bis viermal so hoch liegen. Diesen Schwarzmarkt will die Regierung nun austrocknen.
Witit Artavatkun, Marketing-Chef des staatlichen Pharmakonzerns Government Pharmaceutical Organisation (GPO), kündigte an, dass sein Unternehmen im kommenden Monat ein eigenes Präparat gegen "erektile Dysfunktion" auf den Markt bringen werde. Unter dem Namen "Sidagra" soll es dem Marktführer Viagra Konkurrenz machen. Im Gegensatz zum teuren Original soll das thailändische Analogpräparat allerdings eine Art Viagra für Arme werden: Die ebenfalls blaue 50-Milligramm-Pille wird laut Witit 25 Baht (etwa 0,60 Euro) kosten, die 100-Milligramm-Tablette 45 Bath. "Wir produzieren damit ein billiges und sicheres Präparat", sagt Witit stolz.
Die Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration (FDA) hat das Medikament bereits offiziell zugelassen. Und die Wirkung der neuen Potenzpille werde der des Pfizer-Originals in nichts nachstehen, versichert der GPO-Marketing-Chef. Zufrieden verkündet er: "Wir bieten den Verbrauchern nicht nur eine Alternative zu den gefälschten Tabletten, sondern helfen auch den älteren Männern, die sich Viagra nicht leisten können - und wir entsprechen mit unserem Produkt auch den Bedürfnissen einer immer älter werdenden Gesellschaft."
Alle Chancen, ein Renner zu werden
Die Pläne des Staatskonzerns reichen allerdings weit über die thailändischen Grenzen hinaus. Thailands Pille soll auch auf dem Weltmarkt angeboten werden. Hauptziel ist allerdings Asien: Spätestens 2015, wenn die Asean-Staaten sich nach EU-Vorbild zu einem gemeinsamen Markt für 600 Millionen Menschen zusammenschließen, will Witits Konzern auch die benachbarten asiatischen Staaten mit dem neuen Potenzbringer erobern. Die Produktionskapazität der thailändischen GPO-Fabriken wurde vorsorglich schon auf einen Gesamtausstoß von fünf Milliarden Tabletten pro Jahr ausgebaut - allerdings für alle GPO-Produkte.
Die Pille hat offenbar in der Tat alle Chancen, ein Renner zu werden. Die Nachricht vom neuen Potenzmittel aus Thailand verbreitete sich in wenigen Stunden im Internet und war selbst der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua eine Meldung wert. Denn die Nachfrage nach Medikamenten gegen Erektionsschwierigkeiten ist überall auf der Welt groß.
Nach Angaben von Alexander Hönel von der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit setzte Pfizer 2007 weltweit mit dem Original rund 1,8 Milliarden Euro um. Gefälschte Konkurrenzpräparate erzielten laut Hönel mit zwei Milliarden sogar einen noch höheren Umsatz. In Thailand ist illegales Viagra laut Weltgesundheitsorganisation inzwischen das am häufigsten verkaufte gefälschte Medikament. Meist werden die Pillen in irgendwelchen Labors in China und Indien zusammengemischt.
Die Urulogical Society of Australia and New Zealand veröffentlichte in diesem Jahr eine Warnung, dass bei 77 Prozent der untersuchten gefälschten Potenzmittel jeweils nur 30 bis 50 Prozent wirksame Stoffe enthalten gewesen seien. Der Rest habe aus zum Teil hochgefährlichen Substanzen bestanden. Sogar Düngemittel und Druckerfarben seien in den illegalen Medikamenten gefunden worden.
Ein wirksames und preiswertes Medikament, wie der GPO-Konzern es nun anbieten will, könnte durchaus helfen, diesen illegalen Markt auszutrocknen. Wittit ist sich daher seiner Sache sicher: "Sidagra wird ein Erfolg."
Source: der Spiegel
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