Die USA erleben ein Wirtschaftswunder
Neue Jobs, steigende Kaufkraft, ein starker Dollar: Die USA stehen nach schwierigen Jahren glänzend da. Wie das Land den Neustart schaffte.
Die USA erleben ein Wirtschaftswunder |
Vor sieben Jahren hat Rebekah Erler in Minneapolis als Kellnerin gearbeitet. Ihr Mann Ben arbeitete am Bau. Sie war schwanger. Dann kam die amerikanische Wirtschaftskrise. Der Immobilienmarkt in den USA implodierte. Kredite gab es keine mehr. Neue Häuser wurden nicht gebaut. Die Arbeitslosenquote schnellte nach oben. Viele Amerikaner verloren ihre Häuser, weil sie die zum Kauf aufgenommenen Kredite für völlig überteuerte Häuser nicht mehr begleichen konnten.
Ben Erler fand in Minneapolis praktisch keinen Baujob mehr. Er musste durch Amerika tingeln und jeden Job annehmen, den er nur auftun konnte. Zuhause war er selten. Um die Familie ernähren zu können, ging Rebekah schließlich für eine Ausbildung wieder zur Schule, neben Arbeit und der Betreuung ihres kleinen Sohnes Jack.
Es waren, hat Rebekah dem US-Präsidenten geschrieben, „sehr harte Zeiten“.
Elf Millionen neue Jobs
Im vergangenen Frühling erzählte Rebekah Erler Barack Obama ihre Geschichte. Es ist die Geschichte der amerikanischen Rezession und die vom ökonomischen Wiederaufstieg des Landes. Bei der Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend dann war Rebekah Erler der heimliche Star im Kongress, als der Präsident der Vereinigten Staaten ein Fest für den wirtschaftlichen Aufschwung Amerikas, und für sich selbst feierte. Erler, oben in der Ehrenloge, saß dem Präsidenten direkt gegenüber. Neben Michelle Obama hörte die junge Frau mit der runden Hornbrille, wie Barack Obama sie zur Kronzeugin seines Erfolges machte.
Die harten Zeiten sind für die Amerikaner Vergangenheit. Und nichts deutet im Moment darauf hin, dass eine neue Krise bevorstehen könnte. Mehr als elf Millionen neue Jobs hat die US-Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren geschaffen. Laut der Zahlen der US-Regierung kamen allein von 2013 auf 2014 2,95 Millionen dazu. Ein solches Stellenwachstum hat es seit 1999 nicht mehr gegeben. Die Arbeitslosenrate ist im Dezember 2014 auf 5,6 Prozent gesunken, die niedrigste Zahl seit Juni 2008. Und weit unter den 7,8 Prozent zu Beginn der Obama-Ära. Das Jahr 2004 hatte in etwa die gleiche Arbeitslosenrate, das waren wirtschaftlich gute Zeiten. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl um einen ganzen Prozentpunkt gefallen. Eine solche Verbesserung gab es seit 1984 nicht mehr.
Die Wirtschaft ist eine der stärksten weltweit
Die Entwicklung des Stellenwachstums zeigt nach Einschätzung eigentlich aller Experten nach oben. Die Wirtschaft wächst mit hohem Tempo. Noch drastischer als Europa kämpft zwar auch Amerika mit dem Problem des Haushaltsdefizits. Unter anderem durch schmerzhafte Pauschalkürzungen, mit denen die politisch gespaltene Führung in Washington Jahr um Jahr Not-Etats beschließt, ist aber selbst dieser – dramatische – Posten im Moment wenigstens am Sinken. Von einer astronomischen Billion jährlich sank das US-Haushaltsdefizit auf ein Drittel dessen, auf 480 Milliarden. Während also die europäische Wirtschaft stagniert und Deutschland besorgt auf die Wahl in Griechenland blickt, ist die US-Wirtschaft derzeit eine der stärksten weltweit.
Shannon Keith verlor 2008 in Atlanta seinen Job als Gabelstapler-Fahrer. Etwa in der Zeit, als Barack Obama ins Weiße Haus gewählt wurde. Shannon hat der „New York Times“ seine Geschichte erzählt. Der Tag, sagt er, sei ihm ins Gedächtnis gebrannt. Ein Mann teilte die Arbeiter in zwei Gruppen: Jene, die mehr als zehn Jahre beschäftigt und jene, die erst frischer dabei waren. Denjenigen, die wie Keith selbst seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt waren, wurde gesagt, sie hätten bis Mittag den Arbeitsplatz zu verlassen. Einfach so.
Mit 30 zurück zu den Eltern
Fast drei Jahre, während sich die Wirtschaft allmählich erholte, war Keith arbeitslos. Er musste mit Mitte 30 wieder zu seinen Eltern ziehen, um nicht auf der Straße zu schlafen. Mit „Gott und harter Arbeit und Hingabe“ sei er wieder auf die Füße gekommen, sagt Keith. Er hat in Atlanta wieder einen Job gefunden und sucht jetzt eine eigene Wohnung.
Rebekah und Ben Erler haben inzwischen ein Haus gekauft, in dem ihre beiden Söhne Jack und Henry aufwachsen. Sie hat einen besseren und besser bezahlten Job, er hat wieder Arbeit auf dem Bau. „Und ist“, berichtete Obama in seiner stolzen Rede, „jeden Abend zum Abendessen zuhause“.
Und trotzdem lassen die Amerikaner nicht die Champagnerkorken knallen. Zum einen blenden die blendenden Zahlen aus, dass viele Arbeitslose in den USA in den langen Jahren der Krise aus der Statistik gefallen sind. Ohnehin gibt die staatliche Hilfe nicht genug zum Leben. In den armen Stadtvierteln der US-Städte ist zu besichtigen, wie sich diese Menschen eingerichtet haben. Und wie der Graben zwischen Arm und Reich im Land des neuen Wirtschaftswunders weiter aufgeht.
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