Sie hat über 100 Millionen Bücher verkauft, am 14. September erscheint der achtzehnte Kay-Scarpetta-Roman von Patricia Cornwell, 55, und ab Oktober sollen ihre Fälle verfilmt werden. In BILD am SONNTAG verrät die Amerikanerin, warum sie sich auf Angelina Jolie in der Hauptrolle freut, welche Folgen ihr Lesben-Outing hatte und warum sie mit Bodyguards reist
Die Bücher von  Patricia Cornwell erscheinen in 50 Ländern und 36 Sprachen. „So lange die  Menschen Kay Scarpetta noch wollen, werde ich weitermachen“, sagt die  Amerikanerin
Foto: picture alliance /  dpa
Eine  kleine, zierliche Frau öffnet die Tür zu ihrem Hotelzimmer in Paris. Alles an Patricia Cornwell, 55, scheint akkurat: die schmal  gezupften Augenbrauen, der gleichmäßig aufgetragene Puder, der Sitz ihres  Hosenanzugs. 
Die erfolgreichste Thriller-Autorin der  Welt ist nach Europa gekommen, um für ihren neuesten Kay-Scarpetta-Krimi zu  werben, den achtzehnten. „Kommen Sie rein“, mit freundlicher Geste bittet Mrs.  Cornwell in ihre Suite; blaue Augen scannen dabei die Reporterin.
BILD  am SONNTAG: Warum wachen vor Ihrem Hotelzimmer zwei Bodyguards?
Patricia Cornwell: Seit ich eine gewisse Berühmtheit  erlangt habe, bin ich sehr sicherheitsbewusst. Man weiß nie, wer aufkreuzt, um  ein Problem zu verursachen. Es gibt Menschen, die wissen, dass ich in der Stadt  bin. Es bedarf doch nur einer einzigen instabilen Person, die daherkommt und  etwas Schreckliches tut.
Buch der Woche: Patricia Cornwell – „Bastard“  Der junge Mann, der auf dem Obduktionstisch von Dr. Kay Scarpetta  landet, weist rätselhafte Blutungen auf. Hat er bei seiner Einlieferung noch  gelebt und ist erst im Kühlraum erfroren? Es sind noch mehr Rätsel zu lösen.  Unter anderem die Verbindung zwischen dem Toten zu einem Mord an einem Kind, dem  beim Spielen fünf Stahlnägel in den Hinterkopf getrieben wurden. Patricia  Cornwells achtzehnter Scarpetta-Roman seit 1990 ist wohl ihr persönlichstes  Buch. Die Autorin lässt ihre Hauptfigur erstmals seit zehn Jahren wieder aus der  Ich-Perspektive erzählen. Und die Forensikerin hat allen Grund, den Menschen,  die ihr am nächsten stehen, zu misstrauen. Sogar ihrem eigenen Ehemann . . .
Foto: Hoffmann und  Campe
Sie  waren Polizei-Reporterin und Pathologin, haben in Ihren früheren Berufen  schrecklich zugerichtete Menschen gesehen. Machen solche Erfahrungen stumpf –  oder vorsichtig?
Ich bin auf der Hut, aber in vernünftigem  Maß. Ich möchte nicht, dass auf meinem Grabstein eines Tages steht: Sie ist  einen dummen Tod gestorben. Ich will zum Beispiel nicht sterben, weil ich beim  Überqueren einer Straße in die falsche Richtung geschaut habe.
Welche Gefühle löst der Tod in Ihnen aus?
Ich bin ihm oft begegnet. Ich gehöre aber  nicht zu denen, die sich auf den Tod freuen, weil sie sich auf das Leben danach  freuen.
Sie  glauben an ein Leben nach dem Tod?
Ich bin überzeugt davon, dass es mehr gibt  als nur das Hier und Jetzt. Ansonsten wäre die Perspektive zu sterben  unglaublich deprimierend. Mein Vater wollte nicht einmal eine ordentliche  Beerdigung, weil er dachte, wenn sein Körper stirbt, ist alles vorbei. Menschen,  die so denken, haben womöglich nie richtig gelebt.
Wie  ist Ihre Gemütslage, wenn Sie in Ihren Büchern eine harte Szene aus dem  Leichenschauhaus beschreiben?
Intensiv. Wenn Sie etwas fühlen beim  Lesen, habe ich es sehr wahrscheinlich beim Schreiben auch gefühlt. Und wenn Kay  Scarpetta Angst bekommt, bekommen auch Sie Angst.
Gibt  es etwas, wovor Sie sich privat ekeln? Blutflecken?
Ich mag Blutflecken, die sind wie  Hieroglyphen. Finden Sie das komisch? Ich kann Ihnen viel erzählen, wenn ich  einen Blutfleck sehe: In welchem Winkel das Blut heruntergetropft ist, ob es aus  einer Arterie kam oder aus einer Schussverletzung. Was ich gar nicht leiden  kann, sind Schlangen, Spinnen und tote Körper, die sich zersetzen. Die Gerüche  in Leichenschauhäusern sind der Horror.
Morden Männer anders als Frauen?
Unterm Strich geht es um Power, Kraft. Der  ultimative Missbrauch von Kraft besteht darin, jemandem sein Leben zu nehmen.  Wenn Männer töten, tun sie grundsätzlich etwas, das mit körperlicher Gewalt zu  tun hat. Frauen vergiften eher, was ich übrigens viel grausamer finde. 
Die  Stars vieler Krimireihen sind Pathologen wie Ihre Kay Scarpetta. Was macht  diesen Berufsstand so faszinierend?
Ein guter Pathologe muss mutig und stark  sein. Es erfordert Stärke, einen Körper zu untersuchen, mit dem etwas Grausames  angestellt wurde. Und im übertragenen Sinne zu hören, was die Toten zu sagen  haben. Es sind bewegende Momente, wenn ein Pathologe Familienmitgliedern die  schlimmste Nachricht ihres Lebens beibringen muss. Es ist sexy, wenn ein  Pathologe seine Arbeit gut macht, er verbreitet ein Gefühl von Sicherheit.
Ab  Oktober sollen die Kay-ScarpettaRomane verfilmt werden. Mit Angelina Jolie in  der Hauptrolle. Kennen Sie sich?
Wir haben uns vor zwei Jahren bei den  Dreharbeiten zu „Salt“ getroffen; ich war beeindruckt. Ich hatte eine Primadonna  mit riesiger Entourage erwartet, sie war aber überhaupt nicht so, sondern  professionell und sehr interessiert. Ich denke, Angelina wird Kay Scarpetta eine  Dimension geben, die wir bisher nicht kannten. Aber erst mal müssen viele  Puzzleteilchen zusammenpassen. Alle, die sich zuvor daran versucht haben, meine  Romane zu verfilmen, haben versagt.
Welcher Teil Ihres Erfolges verschafft Ihnen die größte  Befriedigung?
Dass ich eine Figur erfunden habe, die  eine Ikone geworden ist. Scarpetta wird mit Sherlock Holmes und anderen  literarischen Figuren verglichen. Damit habe ich niemals gerechnet.
Wie  viele Scarpetta-Bücher werden Sie noch schreiben?
So viele, wie ich kann. Wenn ich mit einem  Buch fertig bin, denke ich sofort darüber nach, welche Recherchen nötig sind, um  das nächste anzufangen. Solange die Menschen Kay Scarpetta wollen, werde ich  immer weitermachen.
Womit  belohnen Sie sich?
Ich lebe und arbeite gern am oder auf dem  Wasser. Ich liebe Plätze mit Aussicht. Sie sind inspirierend und entspannen  mich, kosten aber meist viel Geld. Dass ich sie mir trotzdem leisten kann, ist  für mich Luxus.
Schauen Sie in Buchhandlungen nach, wie viele Bücher von Ihnen  im Regal stehen?
Ich konzentriere mich auf das, was ich  mache. Nicht darauf, wer ich bin. Es ist sonst so, als ob man zu oft in den  Spiegel schaut. 
Wie  stark werden Sie von wahren Kriminalfällen inspiriert?
Die Wirklichkeit inspiriert mich;  allerdings eher in Form einer ungewöhnlichen Waffe oder einer Technologie.
Wird  Kay Scarpetta jemals Mr. Right finden?
Nun, in „Bastard“ ist sie mit einem  ehemaligen FBI-Profiler verheiratet. Ich denke, dass er der Richtige für sie  ist, obwohl die beiden viele Geheimnisse voreinander bewahren müssen.
Sie  haben Mrs. Right längst gefunden und geheiratet. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie  Frauen lieben?
Ich bin in der Provinz aufgewachsen. Wenn  dort zwei unverheiratete Lehrerinnen zusammen lebten, dachten die Leute: Die  schrägen Gestalten haben beide nie einen Mann gefunden. Niemand sprach über  Homosexualität. Ich war in meinen Zwanzigern, als mir klar wurde, dass ich  anders fühle als die meisten anderen und herausfinden muss, wer ich bin.  Ehrlichkeit war mir dabei immer am wichtigsten. Es gibt zu viele Menschen, die  eine Lüge leben.
Hat  das Outing Ihrer Karriere geschadet?
Als meine Homosexualität bekannt wurde, hörte meine Mutter in einer Buchhandlung ein Gespräch mit an. Da sagte eine Kundin zur anderen: Ich kaufe ihre Bücher nicht mehr – darum. Aber: Ich bin dankbar dafür, einer Minderheit anzugehören. Es ist nicht das Schlechteste, wenn man im Leben seine Brüche hat.
Als meine Homosexualität bekannt wurde, hörte meine Mutter in einer Buchhandlung ein Gespräch mit an. Da sagte eine Kundin zur anderen: Ich kaufe ihre Bücher nicht mehr – darum. Aber: Ich bin dankbar dafür, einer Minderheit anzugehören. Es ist nicht das Schlechteste, wenn man im Leben seine Brüche hat.
Wollten Sie niemals Kinder?
Nicht wirklich; ich kenne meine Grenzen,  ich wäre nicht gut als Mutter. Und eine schlechte Mutter zu sein, würde ich mir  niemals vergeben. 
25  Prozent Ihrer Leser sind Männer. Warum so wenige?
Männer sagen immer zu mir: Meine Frau mag  Ihre Bücher. Dann sage ich: Und was ist mit Ihnen? Antwort: Ich habe noch keins  gelesen. Darauf ich: Wenn Kay Scarpetta im Flugzeug neben Ihnen säße, würden Sie  feststellen, dass sie die interessanteste Person ist, der Sie je begegnet sind!  Viele Männer meinen, eine weibliche Hauptdarstellerin in einem Krimi könne keine  Frau sein, die sie inspiriert.
Patricia Cornwell dreht den Kopf zum  geöffneten Fenster, lauscht nach draußen.
Höre ich da einen Ferrari? Natürlich ist  es ein Ferrari, das erkenne ich am Motorengeräusch.
Was  fahren Sie für ein Auto?
Im Moment einen Porsche SUV, aber ich habe  schon viele Ferrari besessen. Kürzlich habe ich einen Ferrari Supermerca bei  einer Auktion gespendet. Dort wurde Geld für amerikanische Kriegsveteranen  gesammelt.
So  einen Wagen kann man in den USA doch gar nicht ausfahren. Wo bleibt der  Spaß?
Ich lebe in Boston, ein schrecklicher Ort,  um schöne Autos zu fahren. Schlechte Straßen, Schnee bis ins Frühjahr, aber ich  liebe Ferrari. Früher bin ich Mercedes gefahren, aber als die anfingen, ihre  Autos in Amerika zu produzieren, habe ich sie nicht mehr gekauft. Die Deutschen  bauen tolle Autos; die Amerikaner leider nicht.
source: Bild


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