Romney gewinnt TV-Duell
DER REPUBLIKANISCHE HERAUSFORDERER KONNTE BEIM SCHLAGABTAUSCH MIT OBAMA PUNKTEN
03.10.2012 — 23:35 Uhr
Überraschungserfolg für Mitt Romney: Beim ersten TV-Duell im Wahlkampf gegen US-Präsident Barack Obama konnte der Republikaner ordentlich punkten.
Analysten sind sich einig: Der frühere Gouverneur von Massachusetts hat sich beim Schlagabtausch in Denver deutlich besser präsentiert als der Amtsinhaber. Eine erste CNN-Umfrage ergab: 67 Prozent der Teilnehmer fanden, dass Romney der bessere Redner war und das TV-Duell gewonnen hat.
„Er war rhetorisch gut drauf", sagte Thomas Jäger, Politikwissenschaftler von der Universität Köln, dem Sender Phoenix.
Eineinhalb Stunden ging es ans Eingemachte. Und Romney machte von Anfang an klar: Er ist in Angriffslaune, er wehrt sich.
Romney war fix, schlagfertig, bestens vorbereitet. Er ließ sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Obama dagegen setzte sich kaum zur Wehr, verzichtete auf scharfe Attacken. Analysten bei CNN nannten Obama „lustlos" und warfen ihm vor, er habe keine Fakten präsentiert.
Dabei gab es ja durchaus Steilvorlagen: Romneys heimlich aufgezeichnete Bemerkung, wonach er 47 Prozent der Amerikaner als Sozialschmarotzer abtut, zum Beispiel. Doch Fehlanzeige – Obama hat das Thema, das vor kurzem weltweit für Schlagzeilen sorgte, nicht einmal angesprochen.
Oder: Romneys Vergangenheit als Chef der Investmentfirma Bain Capital, die das Obama-Team sonst nutzt, um den Multimillionär als eiskalten Finanzhai darzustellen. Beim TV-Duell geht der Präsident mit keinem Wort darauf ein. Linke Kommentatoren sind entsetzt.
Romney dagegen emotional: Wie sehr die Amerikaner unter Obamas Politik leide, wie schrecklich die Arbeitslosigkeit sei. Er unterbricht den Moderator, zerpflückt jede Kritik von Obama. Er wird kurzfristig in Umfragen aufholen, glauben US-Beobachter.
Wird jetzt der Wahlkampf noch mal spannend?
DIE DEBATTE
Es ist ein Streit über Wirtschaftspolitik, die Haushaltschulden, die Gesundheitsreform und die Rolle des Staates. Wer heute punktet, punktet womöglich auch bei der Präsidentschaftswahl am 6. November
Zum ersten Mal im US-Wahlkampf stehen die beiden gemeinsam auf einer Bühne. Schlagabtausch an der Universität Denver. Um 19.02 Uhr Ortszeit (3.02 Uhr MESZ) steigen die beiden in den Ring. Mehr als 50 Millionen Amerikaner sehen zu.
Moderiert wird die Debatte von Jim Lehrer, einer US-Journalistenlegende. Er gilt als Vermittler. Wirtschaft, Gesundheitspolitik, die Rolle des Staates sind die Themen, kündigt er an und bittet das Publikum: Keinen Zwischenbeifall, keine Buhrufe - nur Klatschen zu Beginn.
DAS TV-DUELL
Obama und Romney kommen aus unterschiedlichen Richtungen, begrüßen sich betont freundlich.
Die erste Frage zielt sofort auf Obamas größte Angriffsfläche: Wie wollen Sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen?
Obama beginnt mit einer Liebeserklärung an seine Frau Michelle, es ist der 20. Hochzeitstag des Paares: „Vor 20 Jahren wurde ich zum glücklichsten Mann der Welt", sagt er, „Dear Sweetie, einen schönen Hochzeitstag."
Dann legt er los: Der US-Präsident gibt sich positiv, verweist auf fünf Millionen neue Arbeitsplätze, auf das Comeback der Autoindustrie. Es warte noch viel Arbeit. Er wolle investieren, im Gegensatz zu Gouverneur Romney, der dem Land einen harten Sparkurs verpassen wolle. Obama kritisiert geplante Steuererleichterungen Romneys für die Reichen im Land.
Romney sorgt für Lacher, als er zunächst sagt: „Mr. President, ich bin sicher, Sie könnten an Ihrem Hochzeitstag an keinem romantischeren Ort sein als hier mit mir."
Dann greift er sofort an. Darüber war im Vorfeld spekuliert worden: Wann kommt der Angriff, wie aggressiv ist Romney? Die erste halbe Stunde, so hatten es Analysten vorhergesagt, entscheide.
Romney sagt, er wolle gerade für die Mittelschicht Steuererleichterungen durchsetzen. Zugleich warf er dem Präsidenten vor, in seiner Amtszeit die Kosten für die US-Bürger in die Höhe getrieben zu haben.
Obama wiederholt, Romney plane Steuererleichterungen in Höhe von fünf Billionen Dollar. Der Herausforderer widerspricht vehement.
Zweites Thema: Das gewaltige Haushaltsdefizit. Romney hat sich warm geredet, kritisiert Obama heftig für sein leeres Versprechen, die Schulden zu senken. „Es ist eine Frage der Moral, wenn man mehr ausgibt als einnimmt."
Obama verweist auf die schwierige Situation, als er vor vier Jahren ins Weiße Haus einzog und macht seinen Vorgänger George W. Bush verantwortlich für die Verschuldung.
Thema Gesundheitsreform. Obama will eine Versicherung für fast alle Amerikaner einführen, Romney will das kippen: Zu teuer, sagt er, Obamas Pläne würden Jobs kosten.
„Unsere Aufgabe ist: Wir müssen die Kosten für die Familien senken", kündigt Romney an. Dies könne die Privatwirtschaft viel besser als der Staat bewirken.
Obama verweist auf Romneys Zeit als Gouverneur in Massachusetts, wo eine ähnliche Gesundheitsreform gut funktioniert habe.
Dann geht es um die Rolle des Staates. Das wichtigste sei es, dafür zu sorgen, dass die Amerikaner sicher seien, sagt Obama.
Bei der Frage, inwieweit die Regierung bei der Bildung eingreifen sollte, gehen die Meinungen auseinander.
Die Zeit läuft aus, die zweiminütigen Schluss-Statements stehen an: Obama betont, sein Glaube, sein Vertrauen in die Zukunft sei unvermindert, und das liege am amerikanischen Volk. Er wolle dafür sorgen, dass alle eine faire Chance bekommen.
Romney nutzt sein Schlusswort zum letzten Angriff: „Ich sorge mich um Amerika", sagt er. Unter einem Präsident Obama werde die Mittelschicht leiden, die Arbeitslosigkeit werde steigen.
Am Ende wieder Lächeln, Händeschütteln, die Romney-Familie kommt auf die Bühne, Söhne, Schwiegertöchter, Enkel, Ehefrau Ann. Zu Obama kommt nur Michelle, die beiden wirken fast ein wenig verloren und verlassen dann auch zügig den Saal. Romney bleibt, winkt, er weiß: Er hat heute Nacht gepunktet.
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