TV-Duell zur US-Außenpolitik
Kopf an Kopf in den Endspurt
Aus Boca Raton, Florida, berichtet Marc Pitzke
Kaum sind die Kandidaten fertig, geht schon das Schönreden los. Dazu marschieren die Berater, Strategen und Parteifreunde beider Kontrahenten am Stirnende des Saals auf, um die Reporter zu überzeugen, dass ihr Mann gewonnen habe - und warum. "Spin Alley" nennen sie diese weitgehend faktenfreie Zone auf knallrotem Teppichboden. Die Gasse der Meinungsmacher.
Zum Beispiel Jim Messina, Barack Obamas Wahlkampfmanager: "Dies war ein Wettstreit der Stärke", diktiert er. "Der Präsident hat Stärke gezeigt." Etwas weiter steht David Plouffe, der Messinas Job vor vier Jahren hatte und jetzt als Chefstratege fungiert: "Wir fühlen uns sehr wohl", sagt er, was sonst wohl. "Wir glauben, dass diese Debatte geholfen hat."
Genau das glauben Mitt Romneys Leute aber natürlich auch. Etwa Bob Portman, der Senator aus Ohio, der im Debattentraining das Obama-Double spielte: "Ein toller Abend für Romney", übertreibt er. "Er war präsidialer." Dan Senor, Romneys außenpolitischer Guru, sekundiert: "Die Leute haben hier jemanden erlebt, der dynamisch und optimistisch war."
Nur wer von beiden war das? Beide Seiten haben recht, beide Seiten haben unrecht. Ja, Obama geht aus dem dritten und letzten TV-Duell dieses Wahlkampfs als "Sieger" hervor. Ja, auch Romney schlägt sich achtsam. Aber nein: Keiner schafft es, das Rad des Rennens wirklich herumzureißen. Es bleibt Kopf an Kopf.
"Debatten sind nutzlos und kontraproduktiv"
Die jüngsten Umfragen - so man ihnen noch glaubt - bezeugen eine nüchterne Realität: Der Wahlkampf ist nun wieder auf dem Stand, auf dem er vor den drei TV-Duellen war. "Debatten sind nutzlos und kontraproduktiv", beschwert sich die konservative "Washington Times". "Sie sind zu sinnlosen Spektakeln verkommen."
Sind sie das? Die erste Debatte gab Romney immerhin einen solchen Schub, dass Obama seither Mühe hat, allein das Patt zu wahren - obwohl er die beiden Folgeduelle "gewann". Weshalb auch der Punktsieg von Florida ein Pyrrhussieg ist, der die Waage bestenfalls ausbalanciert. Am Ende haben die Debatten beide Wählerschaften nur in sich verhärtet.
Dabei sollte es ja die Entscheidung bringen, dieses finale Gefecht an Floridas "Goldküste". Hunderte Reporter sind dazu nach Boca Raton geeilt, mit hoher Hoffnung auf den Durchbruch oder, besser noch, den großen Fauxpas. Einige bleiben aber schon vorher mit dem Shuttle-Bus im Stau stecken, wie ein Omen, dass auch ihre Prognosen in der Sackgasse enden würden.
Um die Außenpolitik geht es diesmal. Auf dem Papier jedenfalls, die Kandidaten reden aber immer wieder lieber von der Wirtschaftspolitik - ein Versuch, die gelangweilten Zuschauer bei der Stange zu halten. Es gibt ein paar schöne Momente, doch keine Patzer, ein paar knackige Bonmots, doch kein Knockout. Diese Wortwechsel werden schnell vergessen sein.
"Was uns wirklich wichtig ist?" Da entschlüpft David Plouffe doch mal kurz die Wahrheit: "Uns geht es jetzt nur noch um die Swing States."
Obama nimmt Romney in die Zange
Also gut, ein bisschen gibt's schon zu berichten über diese 93 Minuten (gefühlte drei Stunden). Obama prescht von Anfang an aggressiv auf Romney los, nimmt ihn in die Zange, will ihn als weltweiten Stümper diskreditieren. Dessen Außenpolitik? "Falsch und leichtsinnig", "völlig durcheinander", "verwirrend", "nicht dazu geeignet, Amerika sicher zu halten".
So landet Obama auch die zwei besten (einzigen) Treffer des Abends. Als Romney kritisiert, die US-Marine habe unter Obama viel weniger Schiffe als früher, erwidert der nur: "Tja, Gouverneur, wir haben auch weniger Pferde und Bajonette." Und legt kurz darauf noch einen nach: Dies sei kein Spielchen à la "Schiffe versenken". Treffer - versenkt.
Trotzdem, Romney hält wacker dagegen: "Ich sehe nicht, dass unser Einfluss auf der Welt wächst. Ich sehe, dass unser Einfluss schrumpft." Damit trifft er einen stillen Nerv vieler Amerikaner, vor allem konservativer.
Je länger das so geht, desto krasser wird der Rollentausch: Obama gibt den weltpolitischen Falken, Romney die handzahme Taube. Wer ist hier der Demokrat, und wer der Republikaner?
Einen "erleuchtenden Dialog zur Zukunft unserer Nation" hat sich Kevin Ross gewünscht, der Chef der Lynn University, die fünf Millionen Dollar investiert hat, um diese Show auszurichten. "Eine Debatte, die der Präsidentschaft des großartigsten Landes der Welt würdig ist", ergänzt Moderator Bob Schieffer, als er das Saalpublikum warmredet.
Diskussion um Libyen erstickt in Geschwafel
Doch Erleuchtendes gibt es schließlich nur wenig. Schon die Diskussion um Libyen, die für Obama zur Falle hätte werden können, erstickt in Geschwafel. Keiner will Schieffers Fragenköder schlucken, zu diffus ist die Lage.
Außenpolitische Differenzen? Nicht zwischen diesen zwei Herren. Iran, Libyen, Afghanistan, Drohnen? Immer wieder stimmt Romney Obama zu, sagt nur: "Ich wünschte, wir hätten eine bessere Vision für die Zukunft gehabt."
Aber seine eigene Vision entspricht weitgehend der Vision Obamas - zumindest die Version der Vision, die er hier präsentiert. Das merkt auch Obama: "Sie würden die gleichen Sachen machen wie wir, nur würden Sie das lauter sagen."
Irgendwann gleitet die Debatte ganz ab. Auf einmal reden sie von der Bildungspolitik, von Mathe-Lehrern, von der Gesundheitsreform, der Staatsverschuldung, dem Defizit, der US-Autoindustrie. "Ich liebe Lehrer", versichert Romney. Worauf Moderator Schieffer trocken versetzt: "Ich glaube, wir alle lieben Lehrer."
Ganz oder fast unerwähnt bleiben: Europa, Südamerika, Kuba, der Klimawandel, der Aufstieg Asiens. Ach ja, China kommt vor - aber erst ganz zum Schluss, fast beiläufig und als stereotyper Buhmann beider Kandidaten.
Na dann, auf in die Swing States. Obama bricht schon an diesem Dienstag von hier aus zu einer dreitägigen Sause durch die wenigen noch wahlentscheidenden US-Staaten auf: Iowa, Colorado, Nevada, zurück nach Florida, Virginia, Illinois, Ohio. Auch Romney reist weiter. Ebenfalls nach Colorado und Nevada.
Aha, dort werden die Wahlen also gewonnen. Nicht in der dunstigen Halle von Boca Raton.
Einen klaren Sieger gibt es in dieser Nacht übrigens dann doch noch. Das Baseballteam der San Francisco Giants schlägt die St. Louis Cardinals 9:0, eindeutiger geht's kaum, und zieht damit in die Finalrunde der World Series.
Zum Beispiel Jim Messina, Barack Obamas Wahlkampfmanager: "Dies war ein Wettstreit der Stärke", diktiert er. "Der Präsident hat Stärke gezeigt." Etwas weiter steht David Plouffe, der Messinas Job vor vier Jahren hatte und jetzt als Chefstratege fungiert: "Wir fühlen uns sehr wohl", sagt er, was sonst wohl. "Wir glauben, dass diese Debatte geholfen hat."
Genau das glauben Mitt Romneys Leute aber natürlich auch. Etwa Bob Portman, der Senator aus Ohio, der im Debattentraining das Obama-Double spielte: "Ein toller Abend für Romney", übertreibt er. "Er war präsidialer." Dan Senor, Romneys außenpolitischer Guru, sekundiert: "Die Leute haben hier jemanden erlebt, der dynamisch und optimistisch war."
Nur wer von beiden war das? Beide Seiten haben recht, beide Seiten haben unrecht. Ja, Obama geht aus dem dritten und letzten TV-Duell dieses Wahlkampfs als "Sieger" hervor. Ja, auch Romney schlägt sich achtsam. Aber nein: Keiner schafft es, das Rad des Rennens wirklich herumzureißen. Es bleibt Kopf an Kopf.
"Debatten sind nutzlos und kontraproduktiv"
Die jüngsten Umfragen - so man ihnen noch glaubt - bezeugen eine nüchterne Realität: Der Wahlkampf ist nun wieder auf dem Stand, auf dem er vor den drei TV-Duellen war. "Debatten sind nutzlos und kontraproduktiv", beschwert sich die konservative "Washington Times". "Sie sind zu sinnlosen Spektakeln verkommen."
Sind sie das? Die erste Debatte gab Romney immerhin einen solchen Schub, dass Obama seither Mühe hat, allein das Patt zu wahren - obwohl er die beiden Folgeduelle "gewann". Weshalb auch der Punktsieg von Florida ein Pyrrhussieg ist, der die Waage bestenfalls ausbalanciert. Am Ende haben die Debatten beide Wählerschaften nur in sich verhärtet.
Dabei sollte es ja die Entscheidung bringen, dieses finale Gefecht an Floridas "Goldküste". Hunderte Reporter sind dazu nach Boca Raton geeilt, mit hoher Hoffnung auf den Durchbruch oder, besser noch, den großen Fauxpas. Einige bleiben aber schon vorher mit dem Shuttle-Bus im Stau stecken, wie ein Omen, dass auch ihre Prognosen in der Sackgasse enden würden.
Um die Außenpolitik geht es diesmal. Auf dem Papier jedenfalls, die Kandidaten reden aber immer wieder lieber von der Wirtschaftspolitik - ein Versuch, die gelangweilten Zuschauer bei der Stange zu halten. Es gibt ein paar schöne Momente, doch keine Patzer, ein paar knackige Bonmots, doch kein Knockout. Diese Wortwechsel werden schnell vergessen sein.
"Was uns wirklich wichtig ist?" Da entschlüpft David Plouffe doch mal kurz die Wahrheit: "Uns geht es jetzt nur noch um die Swing States."
Obama nimmt Romney in die Zange
Also gut, ein bisschen gibt's schon zu berichten über diese 93 Minuten (gefühlte drei Stunden). Obama prescht von Anfang an aggressiv auf Romney los, nimmt ihn in die Zange, will ihn als weltweiten Stümper diskreditieren. Dessen Außenpolitik? "Falsch und leichtsinnig", "völlig durcheinander", "verwirrend", "nicht dazu geeignet, Amerika sicher zu halten".
So landet Obama auch die zwei besten (einzigen) Treffer des Abends. Als Romney kritisiert, die US-Marine habe unter Obama viel weniger Schiffe als früher, erwidert der nur: "Tja, Gouverneur, wir haben auch weniger Pferde und Bajonette." Und legt kurz darauf noch einen nach: Dies sei kein Spielchen à la "Schiffe versenken". Treffer - versenkt.
Trotzdem, Romney hält wacker dagegen: "Ich sehe nicht, dass unser Einfluss auf der Welt wächst. Ich sehe, dass unser Einfluss schrumpft." Damit trifft er einen stillen Nerv vieler Amerikaner, vor allem konservativer.
Je länger das so geht, desto krasser wird der Rollentausch: Obama gibt den weltpolitischen Falken, Romney die handzahme Taube. Wer ist hier der Demokrat, und wer der Republikaner?
Einen "erleuchtenden Dialog zur Zukunft unserer Nation" hat sich Kevin Ross gewünscht, der Chef der Lynn University, die fünf Millionen Dollar investiert hat, um diese Show auszurichten. "Eine Debatte, die der Präsidentschaft des großartigsten Landes der Welt würdig ist", ergänzt Moderator Bob Schieffer, als er das Saalpublikum warmredet.
Diskussion um Libyen erstickt in Geschwafel
Doch Erleuchtendes gibt es schließlich nur wenig. Schon die Diskussion um Libyen, die für Obama zur Falle hätte werden können, erstickt in Geschwafel. Keiner will Schieffers Fragenköder schlucken, zu diffus ist die Lage.
Außenpolitische Differenzen? Nicht zwischen diesen zwei Herren. Iran, Libyen, Afghanistan, Drohnen? Immer wieder stimmt Romney Obama zu, sagt nur: "Ich wünschte, wir hätten eine bessere Vision für die Zukunft gehabt."
Aber seine eigene Vision entspricht weitgehend der Vision Obamas - zumindest die Version der Vision, die er hier präsentiert. Das merkt auch Obama: "Sie würden die gleichen Sachen machen wie wir, nur würden Sie das lauter sagen."
Irgendwann gleitet die Debatte ganz ab. Auf einmal reden sie von der Bildungspolitik, von Mathe-Lehrern, von der Gesundheitsreform, der Staatsverschuldung, dem Defizit, der US-Autoindustrie. "Ich liebe Lehrer", versichert Romney. Worauf Moderator Schieffer trocken versetzt: "Ich glaube, wir alle lieben Lehrer."
Ganz oder fast unerwähnt bleiben: Europa, Südamerika, Kuba, der Klimawandel, der Aufstieg Asiens. Ach ja, China kommt vor - aber erst ganz zum Schluss, fast beiläufig und als stereotyper Buhmann beider Kandidaten.
Na dann, auf in die Swing States. Obama bricht schon an diesem Dienstag von hier aus zu einer dreitägigen Sause durch die wenigen noch wahlentscheidenden US-Staaten auf: Iowa, Colorado, Nevada, zurück nach Florida, Virginia, Illinois, Ohio. Auch Romney reist weiter. Ebenfalls nach Colorado und Nevada.
Aha, dort werden die Wahlen also gewonnen. Nicht in der dunstigen Halle von Boca Raton.
Einen klaren Sieger gibt es in dieser Nacht übrigens dann doch noch. Das Baseballteam der San Francisco Giants schlägt die St. Louis Cardinals 9:0, eindeutiger geht's kaum, und zieht damit in die Finalrunde der World Series.
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