"Frau Merkel war gestern auf meinem Tisch"
Der Juni war ein großer Monat der Amerikaner in Berlin - und ein Höhepunkt für den Denglisch-Small-Talk. Barack Obama kam zu Besuch, 50 Jahre nach JFK. Und für die Berliner bot sich eine Reihe großer Anlässe für "Shakehands" mit "VIPs" oder, wenn sie sich selbst für wichtig halten: für "Shakehands" mit Menschen.
"Shakehands" und "VIP" dagegen scheinen im Protokoll des Berliner Senats weiterhin zum Standardrepertoire zu zählen. Dabei ist in der englischen Sprache nurder "Handshake" gebräuchlich. Auch ist der "VIP" in den USA und im Commonwealth so gut wie ausgestorben. Klar, es gibt noch VIP-Stands und VIP-Lounges. Aber Menschen als "VIPs" anzusprechen, ist dermaßen unwürdig, dass damit genau genommen das Gegenteil gesagt wird: Tussis, Schlampen, Bonzentrottel.
Was soll man dann sagen? Wir Deutschen neigen zum Adjektiv "important", wenn "influential" oder "top-notch" angemessener wäre. Ein "Socialite" ist das, was wir einen "Prominenten" nennen. Als "Big cheese" und "Rainmaker" könnte man ironisch, aber nicht herabwürdigend, Leute mit Macht beschreiben.
Jetzt bitte nicht die Gäste in die Luft jagen
Falls der Senat eine wirklich elegante Party feiern will, dann funktionieren einfach "Guests" oder "Honorary guests".
Anzutreffen wären die Gäste am besten in der "Guest Lounge", die so ausgesprochen werden muss: "Gest Launsch" - und nicht, wie viele Aufpasser und Geschäftsleute sagen: "Gest Lohnsch". Denn das klingt wie das englische Wort "Launch" und könnte die Einführung eines neuen Produkts oder auch das Abfeuern einer Rakete bedeuten. "VIP Lohnsch" funktioniert also nur, falls der Senat eine Besuchergruppe in die Luft jagen möchte, in Frage kämen vielleicht einige Regierungs-VIPs aus Weißrussland.
"Eurotrash" prägte der Journalist Taki Theodoracopulos in den achtziger Jahren, um Europäer zu beschreiben, die Shorts und Sonnenbrillen tragen, selbst wenn die Sonne gar nicht scheint. Sie haben im europäischen Ausland gelebt oder studiert und begrüßen andere Europäer mit Wangenküsschen. Ganz Berlin-Mitte scheint mittlerweile Eurotrash zu sein, ganz egal ob mit oder ohne Mitgliedschaft im Soho House.
Berlin ist alles und noch viel mehr
Was uns Deutschen mittlerweile keiner mehr nimmt, ist unsere Small-Talk-Kompetenz - superneuenglisch gesagt: Small-Talk-Savvyness. Das fiel auch John auf, einem lieben Kollegen von einer amerikanischen Zeitung, die noch existiert. Ich habe ihm von dieser Kolumne erzählt, und wir haben uns unter die Berliner und ihre amerikanischen Gäste begeben und einige typische deutsche Formulierungen ausgehorcht. Denn eines steht doch fest: Egal, was der Senat auf Besuchertribünen und Tischkarten schreiben lässt - der Eindruck, den wir im Ausland abgeben, wohnt der Sprache inne, die wir sprechen.
Gesprächse instieg: "I am living in Berlin" oder "I am working in the start-up scene".Deutsche verwenden oft die Verlaufsform, wenn es grammatikalisch korrekt "I live in Berlin" und "I work for a start-up business" heißen muss. John erkennt darin den Ausdruck für viel Identifikation mit dem Lebensmittelpunkt und der Arbeit sowie den permanenten Wunsch einzutauchen. Die andauernde Bereitschaft zur Belastung und Aufopferung sei ein Zeichen für die Sehnsucht nach Erfüllung im Leben - ein Leben, das ein "awesome ongoing project" sein muss. Wenig erzeugt unter Amerikanern mehr Bewunderung.
Verortung: "I am sitting on the table" oder "Mrs Merkel was on my table last night".Dass sich Deutsche sprachlich häufiger auf statt an Tischen aufhalten, deutet John so, dass wir ein tiefes Bedürfnis nach Schaulust und Ausgelassenheit in uns tragen. Wir mögen das vielleicht selber nicht erkennen: So wie Schaumpartys auf Ibiza die neunziger Jahre prägten, so tanzen die Menschen in Berlin heute rund um die Uhr auf den Tischen.
Diese Exzessivität macht Deutschland weltberühmt - berühmter als schwäbische Gründlichkeit und westfälische Sturheit. Waren früher zwei Wochen Oktoberfest, sechs Tage Regellosigkeit des Kölner Karnevals sowie die Reeperbahn die größten Exportschlager im westdeutschen Dienstleistungssektor, so ist Berlin das alles und noch viel mehr. Erzeugt Anziehung und garantiert zugleich, dass die amerikanischen Freunde nicht ewig bleiben.
Erhitzung: "I need fire" oder "Do you have fire?" In Situationen, in denen amerikanische Raucher nur nach "Light" fragen, will der Deutsche immer gleich Feuer. Was als Hang zu Leidenschaft und andauernder erotischer Lust gewertet wird. Ostdeutschland gilt auch in Alabama als Mekka der sexuellen Befreiung. Ein Texaner glaubte sich an den richterlichen Spruch zu erinnern, dass Mieten in Berlin niemals mit der Begründung gemindert werden dürfen, es befinde sich ein Swingerclub in der Nähe - weil sich garantiert immer ein Swingerclub in der Nähe befinde. Könnte zum Problem werden und eine US-Einwanderungswelle auslösen. @letztedeutscheRaucher: Bitte auf "Light" umschwenken!
"I can't see Sarrazin anymore"
Distinktion: "My father was an undertaker, too." Verzeihung, Herr Jungunternehmer, das war total daneben! Oder war Ihr Vater wirklich Bestatter? John hat es außer Konkurrenz laufen lassen, deutet es aber als Tendenz, dass Menschen in Berlin in unternehmerischer Tätigkeit gesellschaftliche Anerkennung suchen.
Ausweichmanöver: Deutsche leiten alle möglichen Gedanken zunehmend mit "Anyway" um - und deshalb ihre Sätze mit dem englischen Adverb ein: "Anyway, ich wollte nur sagen: Schön, euch zu sehen" (Thema vorher: zum Beispiel Sarrazin). Wenngleich es nervt, sagt es auch eine Menge über die neue Wendigkeit der Deutschen, die einfach erkannt haben, dass es im Small Talk nicht darauf ankommt, was man gerade sagt, sondern wie man es sagt. Leider immer häufiger auch in gravierenden Situationen zu hören, die eben genau kein Small Talk sind und die an der Zurechnungsfähigkeit des Sprechers zweifeln lassen: "Die USA benehmen sich wie die Stasi. Anyway, New York ist zum Glück wie Europa." Oder so ähnlich. Amerikaner merken das nicht, deshalb überspringt John das Beispiel.
Gesprächsausstieg: "We become a little bit state aids for our start-up." Kann auf deutscher Seite in Exkurse über soziale Marktwirtschaft und Bismarck münden und führt dazu, dass Amerikaner nervös in allen Taschen unter dem Vorwand nesteln: "Sorry, just wanna check when my outbound flight is scheduled. What did you say?" Der totale Killer! Merken Deutsche aber nicht. Hinweis 1: "to become" heißt nicht "to receive". Hinweis 2: "aid" hat keinen Plural, wird mit "s" zur Krankheit. Hinweis 3: Subventionen sind einfach kein Thema!
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