OBAMAS DRAMATISCHE ANTRITTSREDE
"Wir haben Hoffnung gewählt - nicht Furcht"
Er beschwor Amerikas Kraft und Werte - und erinnerte an den Wiederaufstieg der Nation aus tiefen Krisen: Barack Obama hat in einer bewegenden Antrittsrede die USA aufgefordert, nicht die Hoffnung zu verlieren. Mit klarem Blick und Gottes Hilfe würden die USA den Stürmen der Zeit trotzen.
Washington - Er stockte kurz, fand dann aber seine Sprache wieder: Barack Obama ist nun auch offiziell der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Menge erhob sich für den Amtseid. Obamas Hand lag während des Schwurs auf der Bibel, auf der einst auch Abraham Lincoln seinen Amtseid ablegte.
Obama hob die rechte Hand zum Schwur und sprach die Eidesformel: "Ich, Barack Hussein Obama, schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich verwalten und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen will. So wahr mir Gott helfe."
In seiner Antrittsrede fand Obama schnell seine gewohnte Wortgewandtheit wieder. "Wir stecken mitten in einer Krise, die wir jedoch inzwischen verstanden haben", sagte der neue Präsident. "Unsere Nation ist im Krieg gegen ein Netz der Gewalt und des Terrors. Unsere Wirtschaft ist geschwächt, als Konsequenz aus Gier und Unverantwortlichkeit bei einigen wenigen - aber auch weil wir als Kollektiv versäumt haben, harte Entscheidungen zu treffen und diese Nation auf die neue Zeit vorzubereiten."
Viele hätten ihr Zuhause verloren, andere ihre Arbeitsplätze verloren, Geschäfte seien bankrott. "Unser Gesundheitssystem ist zu teuer, unsere Schulen werden vielen nicht gerecht, und jeder weitere Tag zeigt uns deutlicher, dass die Art und Weise, wie wir Energie verwenden, unsere Gegner stark macht - und den Planeten in Gefahr bringt", rief Obama. "Die Lage ist ernst, wir haben viele Probleme, die wir nicht auf die Schnelle werden lösen können. Aber lassen Sie mich dies sagen: Amerika wird sie lösen."
Immer wieder wurde Obamas Rede von Jubel und Sprechchören unterbrochen. "Wir haben uns an diesem Tag versammelt, weil wir die Hoffnung gewählt haben - und nicht die Furcht. Die Einheit und Entschlossenheit - und nicht die Zwietracht oder den Konflikt." Es sei an der Zeit, sich auf die amerikanischen Ideale zu besinnen, "diese großartige Idee weiterzutragen, die von Generation zu Generation weitergegeben worden ist: das gottgegebene Versprechen, dass alle Menschen gleich sind, alle frei sind - und ein Recht darauf haben, ihr Glück zu versuchen." Heute könne jemand, dessen Vater vor 60 Jahren in einem Restaurant in Washington nicht bedient worden wäre, vor dem Kapitol stehen und den Amtseid des Präsidenten der Vereinigten Staaten ablegen, sagte Obama in Anspielung auf die afrikanische Herkunft seines Vaters.
Vize Joe Biden legt Amtseid vor Obama ab
Und auch der langjährige Senator und jetzige Vizepräsident Joseph R. Biden ist nun offiziell in Amt und Würden. Der älteste Richter des Obersten US-Gerichts, John Paul Stevens, nahm dem 66-jährigen Biden auf den Stufen des Kapitols den Amtseid ab.
Als Joe Biden und Barack Obama zuvor auf die Bühne getreten waren, jubelte die Menschenmenge und winkte mit Tausenden Fähnchen. "Obama, Obama"-Sprechchöre und tosender Applaus waren zu hören. 240.000 Menschen hatten kostenlose Zuschauertickets für die Amtseinführung bekommen.
Vor der Vereidigung hatte Senator Dianne Feinstein, Vorsitzende des Amtseinführungskomitees des Kongresses, einführende Worte gesprochen und an die Macht der Demokratie appelliert. Danach sprach der evangelikale Priester Rick Warren das Bittgebet.
Der Zeremonie unter strahlend blauem Himmel, aber bei Minus drei Grad wohnten neben dem scheidenden Präsidenten George W. Bush und Frau Laura auch alle noch lebenden früheren US-Präsidenten - Jimmy Carter, George Bush senior und Bill Clinton - und ihre Ehefrauen bei.
Für Obama und seinen Stellvertreter Joe Biden begann der Tag mit einem Gottesdienst in der Kirche St. John's, in der schon jeder Präsident seit dem vierten Staatsoberhaupt James Madison betete. Danach besuchten die Politiker den scheidenden Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus, wo Obama und Biden sowie ihre Frauen zur traditionellen Kaffeestunde empfangen wurden.
Am Kapitol begannen die Feierlichkeiten mit Musik von einer Militärband. Nach der offiziellen Zeremonie war eine Parade zum Weißen Haus geplant.
Trotz der ungewöhnlich eisigen Temperaturen machten sich schon in der Nacht Hunderttausende Obama-Anhänger auf den Weg in die Hauptstadt. U-Bahnen und Parkplätze in den Vororten waren schon um 4 Uhr gefüllt. Die Prachtmeile National Mall füllte sich zum Sonnenaufgang mit Tausenden Menschen. Inzwischen erstreckt sich die Masse der Zuschauer vom Kapitol bis zum Lincoln Memorial - über eine Strecke von mehr als drei Kilometern.
Die Behörden der US-Hauptstadt erwarten bis zu zwei Millionen Besucher und wurden deswegen vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Nach Schätzungen der Polizei wird die Zahl der Menschen spielend die Rekordzahl von 1,2 Millionen Schaulustigen übertreffen, die bei der Amtseinführung Lyndon B. Johnsons 1965 gezählt wurden.
Die Bewohner der Region, in der mehrere Millionen Menschen leben, mussten starke Behinderungen in Kauf nehmen. Alle Brücken vom Nachbarstaat Virginia stadteinwärts wurden für den Autoverkehr gesperrt und ein Großteil der Innenstadt zur Sicherheitszone erklärt. Zwei U-Bahnhöfe an der National Mall waren die meiste Zeit geschlossen.
Die Erwartungen an Obama sind so groß wie selten bei einer Amtseinführung: Die USA leiden unter einer Rezession, die Amerikaner sind kriegsmüde von den Einsätzen im Irak und in Afghanistan und wünschen sich einen Wechsel nach den acht Jahren unter der Regierung Bush. Der neue Präsident kann mit einer großen Machtfülle regieren: Erstmals seit 1994 beherrschen die Demokraten das Weiße Haus und beide Kammern im Kongress.
Obama ist bei 52 Prozent der Bevölkerung beliebt - der Anteil ist damit noch größer als bei der Wahl im November. Dagegen ist der scheidende Präsident Bush einer der unbeliebtesten in der Geschichte der USA.
Bush sollte nach der Amtseinführung Obamas mit einem Hubschrauber zum Luftwaffenstützpunkt Andrews in der Nähe der Hauptstadt fliegen und von dort in der Präsidentenmaschine nach Texas, wo er viele Jahre seines Lebens verbrachte. Für Obama und Biden endet der Tag mit dem Besuch von zehn Bällen und Feiern bis tief in die Nacht. Nach ein paar Stunden Schlaf erwartet Obama am Mittwoch ein arbeitsreicher Tag.
ffr/oka/AP/dpa
source: spiegel
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